Lieber tot als vergessen
erfaßt und drückte ihn. Ich sah, daß sie die Lippen fest zusammenpreßte und die Augen schloß, ehe sie sie wieder aufmachte, um jemanden hinter mir anzusehen. Sie lächelte ein bißchen nervös, aber es galt nicht mir.
Fröhliche Weihnachten alle miteinander, dachte ich, und trat zackig zurück, um nicht beiseite gestoßen zu werden; dabei prallte ich gegen eine Gruppe von Zuschauern, die hinter mir standen. Jemand kniff mich in den Hintern. Es war Keith. Er trug einen Anzug.
»Hallo«, grinste er und entblößte dabei hübsche, ebenmäßige Zähne. »Wie geht’s?« erkundigte er sich. Er schob die Hand um meinen Rücken und steuerte mich weg von dem frostigen kleinen Trio, das jetzt hinter mir stand. »Gefällt dir die Show?«
»Ganz bezaubernd. Aber sag’ mal, wieso bist du eingeladen?«
»Mr. City. Die Stadtredaktion.«
»Das bist du?«
»Na ja, nein, wir schreiben die Seite zu dritt. Ich meine, ich kann nicht überall sein, wo was los ist.«
»Was ist denn aus der Strandmode geworden?«
»Jetzt verschone mich doch damit; das ist zwei Jahre her! Ich sage doch, ich bin jetzt in der Stadtredaktion.«
»Hast du gehört, was er gesagt hat?« Ich nahm mir noch ein Glas Champagner von einem vorüberwandernden Tablett.
»Über seine Ferkel? Toll, was?«
»Ja, aber was hat er damit gemeint?«
Keith strich sich das schwere dunkle Haar aus dem Gesicht und klopfte seinen Anzug nach Zigaretten ab wie einer, der gerade einem Taschendieb begegnet ist. Ich klappte mein schwarzes Handtäschchen auf und bot ihm eine von meinen an. Er zog noch einmal die gleiche Nummer ab, als er nach seinem Feuerzeug suchte.
»Paß auf. Die Ghea will nächstes Jahr an die Börse. Deshalb diese eher zurückhaltende kleine Veranstaltung hier. Normalerweise sind die Musikfeten ein bißchen — na, sagen wir, fetziger. Aber Dome ist ein Tier. Du glaubst, St. John frißt rohes Fleisch? Na, der Typ ist Vegetarier, vergleiche mit Dome. Ich persönlich halte Mike für einen gutmütigen Kerl, trotz seinen brutalen Geschäftstechniken und, oh!, diesen Manieren!«
»Und wieso diese Szene?«
Keith winkte uns in eine stille Ecke neben den schweren Fenstervorhängen. »Dome will Dexter die Tour vermasseln. Er läßt verlauten, daß er seine beiden Megagruppen — die Dudes und die Nodding Dogs, beides sehr solide Bands — von der Ghea wegholt. Ich weiß nicht genau, wie die Jungs selbst dazu stehen, aber Mike weiß, daß ihre Verträge demnächst erneuert werden müssen und daß der Deal, den die Ghea vorschlägt, nicht allzu schmackhaft ist. Die Ghea will auch das Management übernehmen, wie bei Johnny Waits. Sie will ein paar Leute mehr intern binden. Dome hat ein Problem, wenn die Bands sich gegen ihn entscheiden, bloß um den Plattenvertrag zu behalten. St. John hat wahrscheinlich auch ein Auge auf sie geworfen.«
»Man kann doch einem Manager nicht so einfach die Klienten stehlen, oder?«
»Na, man kann schon, wenn sie nicht bleiben wollen, aber es gibt große, große Rechtsprobleme, wenn der Manager sich wehrt. Domes Bands sind seit zehn Jahren im Geschäft, und sie sind zwei der bestverkauften Bands der Welt. Er wird sie nicht verlieren wollen.« Wieder klopfte Keith seine Taschen nach Zigaretten ab. Ich wollte wieder meine Tasche, aufschnappen lassen, als er eine Hand hob und die andere in eine Tasche schob. »Das gleiche Problem hab’ ich mit Schlüsseln und mit verflixten Zetteln.« Er bot mir eine von seinen langen Zigaretten an und gab mir Feuer mit einem blauen, durchsichtigen Feuerzeug, das spuckte wie ein Flammenwerfer.
»Es steckt natürlich mehr dahinter. Dome und Dexter kennen sich schon lange... seit Johnny Waits. Dexter hat ihn in den siebziger Jahren entdeckt, ihn gemanagt, hat ihm Auftritte besorgt, seine Rechnungen bezahlt, hat ihm praktisch den... äh... die Nase geputzt. Kurz vor seinem Durchbruch wechselte Waits dann zur Mike Dome Agency, die damals ’ne Menge Lärm machte und den Plattenfirmen für alle Welt erstaunliche Vorschüsse von einer Million und mehr abluchste. Es kam zum Prozeß — und Dexter verlor. Es war eine Schande. Dexter hatte alle Vorarbeit gemacht und jede Menge Geld in Waits gepumpt, aber Dome war derjenige, der Waits international wirklich zum Durchbruch brachte. Ist hart, aber wahr. Dexter stieg danach aus dem Geschäft aus. Willst du Hackpastetchen?«
Ich schüttelte den Kopf und spähte hinüber, ob ich Dexters Blondschopf in der Menge entdecken könnte, aber ich sah ihn nicht. Ich
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