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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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gar nicht im Laden.«
    Tony sah Tommy an, und der fing an, die Achseln zu zucken und die flachen Hände zu spreizen. Er sah aus wie ein kleiner Junge in der Patsche. »Ich hab’ ein paar in Camden Lock verkauft, am Sonntag. Tony«
    »Ich habe gesagt, nachher, nicht vorher.« Sein Mund war bösartig klein geworden. Er sah mich an. »Aus welchem Grund wollen Sie das wissen?«
    »Aus keinem. Nein, eigentlich aus keinem Grund. Reine Neugier. Entschuldigung. Ich kann mich auch um meinen eigenen Kram kümmern. Lassen Sie uns wieder über mein Tape reden. Ich will wissen, ob Sie liefern können und wieviel.«
    »Wir müssen das erst prüfen, aber sagen wir vier-, vielleicht auch sechstausend pro Woche. Wir können jetzt auf der Werbung für das neue Album mitreiten.«
    Vier- bis sechstausend, zwei Pfund das Stück. Dieser Mann war im Massengeschäft. »Das ist unglaublich! Mit wieviel kann ich rechnen?«
    »Zehn Prozent.«
    »Für Sie? Das ist großzügig. Abgemacht.«
    Er sah mich an, ohne zu lächeln, aber Tommy fing an zu grinsen.
    »Okay, Jungs, fangen wir noch mal an. Ich will fünfzig Prozent.«
    »Dreißig«, sagte Tony.
    »Fünfunddreißig.«
    »Okay.«
    Wir schüttelten uns die Hand. Er nickte höflich und steckte die Kassette ein, bevor er noch eine Runde bestellte. Tommy sprach als erster wieder. Er drohte mir mit einem nikotingelben Finger und schnippte mit dem Daumen seine Marlboro-Packung auf, um sie mir anzubieten. »Du bist ’n stilles Wasser, wie? Da bilde ich mir ein, du bist hinter meinem Körper her, und...«
    »Du boxt außerhalb deiner Klasse, mein Junge«, sagte sein Bruder und schaffte es damit, mir ein Kompliment zu machen und seinem Bruder gleichzeitig einen metaphorischen Tritt zwischen die Beine zu verpassen.
    Tommys Gesicht verriet mir, daß er die Großer-Bruder-Behandlung satt hatte. Er glaubte sich auf sicherem Grund; Frauen fielen offensichtlich in seine Abteilung. »Ach, tu mir einen Gefallen, Tony. Ich weiß, was Klasse ist, ich weiß... sagen wir mal, mehr, als du je wissen wirst. Aber ich rede nicht drüber.« Er legte einen gelben Finger an die Lippen und sah mich an. »Ich bin keiner, der küßt und es dann rumposaunt. Du kannst mir vertrauen, Püppchen.«
    Wir lachten, und Tony nickte unbeeindruckt. »Bleiben Sie noch auf einen Drink, Georgina?«
    Er hatte haselnußbraune Augen wie sein Bruder, aber sie waren härter, durchtriebener und ein bißchen faltig an den Winkeln, und zwar nicht, weil er so oft ins grelle Licht schaute, sondern von den vielen kleinen harten Einschätzungen, die er Tag für Tag vornahm. Er nahm auch jetzt wieder eine vor, und anders als bei seinem Bruder blieben seine Brauen, wo sie waren, als wäre die ganze obere Hälfte seines Gesichtes tot.
    »Nein, vielen Dank, ich muß gehen. Aber hier ist meine Nummer. Für alle Fälle.« Ich kritzelte etwas auf die Rückseite einer alten Visitenkarte und reichte sie ihm. »Können Sie mir Ihre auch geben? Ich möchte nicht noch mal das Münztelefon anrufen.«
    »Aber sicher.« Er nahm einen kleinen viereckigen Bierdeckel. Ich reichte ihm meinen Kugelschreiber. Er notierte rasch die Nummer und gab mir den Bierdeckel.
    »Levi. Tony Levi«, las ich.
    »Richtig«, antwortete er und wandte mir dabei den Rücken zu, weil er zum Telefon ging, um ein Taxi zu rufen.
    Im Wagen lehnte ich mich zurück, höchst zufrieden mit mir selbst. Tony Levi, Kneipenwirt, Musikpirat und was noch? Handgenähte Anzüge, Schweizer Baumwollhemden, weiche Lederschuhe und goldene Ringe an den Fingern — ein Mann, der auf sich hielt. Er kommandierte seinen Bruder herum, und Tommy trat ihm nicht gern auf die Füße — das heißt, er trat ihm durchaus gern auf die Füße, aber er ließ sich dabei lieber nicht erwischen. Tommy hatte was auf eigene Faust probiert, aber es war nichts Tolles dabei herausgekommen. Wie es aussah, war Tommy daran gewöhnt.
    »Was kostet das?« Ich lehnte mich zu dem Taxifahrer nach vorn.
    »Mr. Levi bezahlt«, sagte er und jagte den Mercedes um die Ecke.
    St. John hatte eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen. Die Polizei würde am Sonntag morgen mit Vertretern der Anti-Piraterie-Einheit des British Phonographic Institute eine Razzia auf dem Markt in Camden Lock machen, und die Ghea gab am Samstag abend eine Party. Zu beidem könnte ich hingehen, wenn ich wollte. Als erstes griff ich zum Telefonhörer und rief die Nummer auf dem Bierdeckel an. Tony wollte wissen, woher ich von der Razzia wußte, und ich

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