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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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Hand brannte, weil ich an den heißen Grill gekommen war; die Haut hob sich ab wie Papier, und darunter war es weiß und trocken wie gekochtes Hühnerfleisch. Ich stand steif am Tisch und hielt mich mit klopfendem Herzen an einem Stuhl fest; ich war ganz verdattert von dieser kleinen Haushaltskatastrophe. Ich zog den Stuhl herum und setzte mich langsam hin; dann bedeckte ich das Gesicht mit den Händen, als wollte ich so den unerträglichen Jammer aussperren, den ich jetzt empfand. Ich war so einsam hier, ich war allein, und es war meine Schuld. Ich konnte keinen Zollbreit Boden aufgeben. Ich konnte keine Kompromisse schließen. Nicht mit meinem Mann, nicht mit meinen Freunden — mit niemandem. Und das hier war das Ergebnis. Sie waren alle weg. Da war bloß noch ich, die vollkommende, stolze Individualistin. Der vollkommene Trottel, der von früh bis spät daherlatschte: ich und eine Flasche Irgendwas. Und wenn das noch nicht alles schlug, hatte ich mir die Hand verbrannt und mein Frühstück verkohlt.
    Die Stille in der Wohnung brachte mir ins Bewußtsein, daß ich angefangen hatte, laut zu schreien und zu schluchzen und in der länglichen kleinen Küche über mich selbst zu heulen. Nach und nach hörte ich wieder auf damit; ich kam mir albern vor, als ich mich jetzt umschaute. Keine Dämonen in den Ecken. Ich war immer noch allein, und der zerrende Schmerz in meiner Brust war weg. Ich ging ins Bad, ließ warmes Wasser ins Waschbecken laufen und spritzte es mir ins Gesicht. Ich blickte in den Spiegel. Es war wieder okay. Ich konnte jetzt Tony Levi anrufen. Es war wieder okay.
    Ich wählte seine Nummer. Er meldete sich. Er sagte, er wolle mich am Abend in seinem Pub erwarten, aber ich lehnte ab: Ich hätte an einen anderen Pub gedacht. Ich wollte ihn von seinem Territorium auf meins holen, in einen kleinen Pub in West Ham, wo der Wirt mich kannte. Ein oder zweimal hatte ich sogar schon hinter dem Tresen gearbeitet, wenn viel Betrieb gewesen war; deshalb dachte ich, wenn Tony irgend etwas versuchen sollte, würde er mir schon helfen. Noch einen weiteren Vorteil hatte der Treffpunkt: Der einzige Hund, der dort Zutritt hatte, gehörte dem Wirt.
    Von Keith hörte ich an diesem Tag nicht wieder; also verdöste ich den Nachmittag auf dem Sofa, während das Fernsehen mich mit einer Doppelfolge irgendeiner Seifenoper unterhielt, der ich nicht folgte, dann mit drei Cartoons übers Tierezerquetschen sowie mit einer Stunde American Football. Ich trank eine Menge Tee und nahm ein Bad. Meine verbrannte Hand tat weh, aber Kopfschmerzen hatte ich nicht mehr. Mal so gesagt: Ich fühlte mich nicht, als wäre ich von einem 525i angefahren worden.
    Um halb acht war ich angezogen und startbereit. Ich trug Schwarz — was sonst? Eine Polobluse, einen Rock, der über dem Knie endete, Leggins, spitze Lederstiefeletten, die mir die Zehen einzwängten, lauter Kaufhausketten- und Marktstandgarderobe bis auf die braune Lederjacke, die mich oben im Westen ein Vermögen gekostet hatte. Ich stellte mir vor, wie ich kleine schwarze Lederhandschuhe trug und einen BMW fuhr. Nein, nicht ich. Ich würde kleine braune Ganzlederschuhe mit Lochmuster brauchen, glattes, glänzendes, honigfarbenes Ponyhaar und eine gerade Ariernase, um glaubhaft zu sein. Ich legte ein bißchen bronzefarbenen Lippenstift auf und warf mir eine Kußhand zu. Es regnete nicht; also konnte ich die Straße hinaufgehen und ein Minicab nehmen.

Tony kam pünktlich um halb neun, aber ich war schon seit einer halben Stunde da, früh genug, um in der Kneipe einen Platz abseits des mächtig lodernden Holzfeuers zu ergattern. An der Kaminfront funkelte Pferdegeschirr, und billige Flitterdekorationen hingen verzweigt und drapiert an den Wänden und von der Balkondecke im Tudorstil. Elefanten.
    Tony sah mich in der Ecke sitzen, nickte und trat an die Theke. Das Gesicht des Wirts dehnte sich glücklich zu einem unregelmäßigen Willkommensgrinsen. Mir wurde schlecht. Offenbar kannten die beiden einander. Tony spendierte ihm einen Drink und machte eine fragende Geste zu mir herüber. Ich schüttelte den Kopf und hob mein Glas mit klarem, ungefärbten Tonic Water. Der Dobermann-Pinscher des Wirtes war um die Theke herumgetappt, beschnupperte Tonys Bein und wackelte beglückt mit dem flachen braunen Hinterteil.
    »Ich nehme an, Sie kennen wirklich jeden, wie?« sagte ich, als er mir gegenüber Platz nahm.
    »Sie meinen den alten Arthur? Der interessiert sich fürs Boxen, das ist alles. Ihre

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