Lieber tot als vergessen
Ich hatte keine Lust, mit einem Hund an der Leine durchs Leben zu gehen, der bei Ärger Alarm schlug wie ein Kanarienvogel im Bergwerk. Überhaupt, ich war gar nicht so sicher, ob ich Arthurs Hund und seinem Urteilsvermögen in diesem Augenblick trauen konnte.
»Und wo waren Sie?« fragte ich.
»Hab so in meinem Wagen rumgesessen, zugeschaut, mit meinem Autotelefon gespielt...« Er lachte leise und verächtlich, und ich schüttelte den Kopf.
»Sie sind ein Mistkerl, wissen Sie das?«
Tonys Mund schloß sich zu einem sarkastischen Lächeln: »... einen Krankenwagen gerufen. Hätte für Sie auch einen rufen sollen«, endete er.
»Ach, der gute Samariter sind wir jetzt, was? Wie rührend.«
»Wo liegt das Problem? Enttäuscht, weil er nicht in Form ist?«
Ich verlor allmählich die Geduld, und er ebenfalls. »Ich weiß, was Sie gemacht haben. Keith hat Ihren Wagen gesehen«, sagte ich. »Er wußte nicht, daß sie es waren. Er folgte Cheryl, und Sie haben ihn überfahren. Hätten ihn fast umgebracht, verdammt. Wieso? Was ist los?«
»Wie kommen Sie darauf?« Tony beugte sich vor und befingerte sein Ohrläppchen.
»Keith hat den Wagen gesehen. Es war ein grauer 525i. Genau wie Ihrer, erinnern Sie sich?«
»Nummer?«
»Nein.«
»Nein? Dann ist es ja ein Glück, daß ich da war, was? ’ne unverwechselbare Nummer. Von der Sorte, wie sie die schicken Scheißer an ihre Autos schrauben, damit Sie es sich sparen können, Ihre Freunde bei den Bullen zu behelligen. JSJ 100. Kommen Ihnen die Initialen bekannt vor?«
O Gott, allerdings. »Der hat einen 525i?« fragte ich. Tony nickte. »Als ich ihn das letztemal gesehen habe, war es noch ein Jaguar.«
»Na, jetzt hat er einen 525i, mit ’ner kleinen Beule vorn.«
»Er ist einfach mit dem Auto auf ihn losgefahren?«
»Na, er war irgendwie sauer. Gefiel ihm nicht, daß Ihr Boyfriend sich an sein Mädchen ranmachte. Ein eifersüchtiger Typ — muß man im Auge behalten, verstehen Sie?«
Wie recht er hatte. Ich war auch ein eifersüchtiger Typ, aber ohne die Konsequenzen. Ich kannte die Pläne, die man schmieden konnte, die tödlichen kleinen Bestrafungen, geölt vom bitteren Geschmack der Vergeltung. Ich kannte den schwarzen Wahnsinn des Neides. Es hätte ja komisch sein können. Der große böse St. John verliebt. Geradezu besinnungslos. Mörderisch. Der niederträchtigste Schweinehund im ganzen Universum, an einem Nasenring hierhin und dorthin gezogen. Ich konnte mir vorstellen, was für ein Gesicht er an dem Abend gemacht hatte, als er festgestellt hatte, daß die Tapes, die Fotos und der Bericht weg waren. Das Gesicht eines dummen Tiers, pustend und mit bebenden Nüstern stürmischen Schnodder prustend. Tommy mußte ihn um Geld angegangen haben, und da hatte er es gewußt. Er wußte, wie er an die Sachen gekommen war. Cheryl LeMat hatte ihm erlaubt, erst sie, dann alles andere zu nehmen, aber St. John liebte sie immer noch. St. John, der Rock-’n-’Roll-Minotaurus mit den kurzen Beinen und der tonnenförmigen Brust — hoffnungslos und qualvoll verliebt in die geschmeidige, bezaubernde, katzengleiche Göttin Cheryl LeMat. Fotos hatte er gemacht, wenn sie miteinander schliefen, damit er nachher glauben konnte, daß es wahr war, daß er es war, der da wie ein billiger glänzender Wasserball im prachtvollen roten Strom ihrer Haare dümpelte.
»Na, und was werden Sie jetzt machen?« fragte ich. Die Zigarette hing, immer noch nicht angezündet, zwischen meinen Lippen. Tony sagte gar nichts. Ich riß ein Streichholz an, hielt es unter die Zigarette und inhalierte tief. Ich fragte mich, weshalb Keith mir nicht die ganze Geschichte erzählt hatte. So viel also zum Thema Teilen. War er mir bei dieser Jagd um eine Ecke voraus? »Hören Sie, lassen Sie uns die Polizei informieren. Erzählen Sie ihnen von Tommy. Erzählen Sie ihnen die Geschichte von Tommy und Cheryl LeMat.«
Tony erhob sich und nahm die Gläser. »Wir haben in der letzten Woche einen Umsatz von viertausend mit Ihrem Tape gemacht. Die Kunden lieben das Ding. Sieht aus, als ging’s uns Weihnachten ganz gut.«
Das war ein Hinweis. Kleinvieh, wenn man an ein Tape dachte, aber Tonys Geschäfte drehten sich um mehr als nur ein Tape, und wer weiß, worum noch. Ich fragte mich, wieviel Geld er pro Woche machte. St. John hatte gesagt, Tausende, Millionen im Jahr, mehr als manche Plattenfirmen.
»Was ist mit Dexter? Der läßt es uns nicht mehr durchgehen, wenn das Tape jetzt Ghea gehört«, sagte ich, als er
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