Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
Vom Netzwerk:
wird. Da geht’s doch nicht nur um Plattenverkäufe und Bombentourneen. Eine Unmenge von Sängern und Bands sind sogenannte Megastars, aber wenn sie morgen sterben, heißt es: >Oh, wie schade<, und dann — Business as usual. Sie brauchen auch ein gewisse Empathie zu einer Generation oder einer Epoche. Wie James Dean. Wie die Monroe. Wie Lennon. Zugegeben, wenn Dylan morgen stirbt, wird die Plattenfirma vermutlich in drei Wochen genausoviel mit ihm verdienen wie in den letzten fünf Jahren. Aber wahrscheinlich hätten sie mehr verdient, wenn er vor zehn Jahren gestorben wäre, als er noch gute Sachen machte. Woher weiß man, wann einer sterben soll? Dazu müßte man in die Zukunft sehen können.«
    »Na ja, Waits stand wieder im Scheinwerferlicht. Er war wieder erfolgreich.«
    »Ja, aber deine Theorie fällt mit Carla. Sie war ein aufstrebender Star.«
    »Vielleicht war sie bereits aufgestrebt — nach dem Erfolg von Seethru zu urteilen. Schon mal daran gedacht?«
    Ich bleib mit verschränkten Armen neben ihm stehen. Er hatte nicht unrecht, aber er kannte nicht alle Fakten.
    »Keith, mein Lieber, deine Theorie ist gut, aber so toll auch wieder nicht. Tony Levi hat einen grauen BMW 525i. Wie paßt das ins Bild?«
    Er zog die Brauen hoch und versuchte zu lächeln. »Oh, das ist interessant, nicht wahr?« Er zwinkerte mit dem blutgesprenkelten Auge. »Was für eine Story,' Georgina. Ist es zu fassen, daß uns das passiert?«
    »Entschuldigung«, sagte ich und hastete mit fest zusammengepreßtem Mund in mein fensterloses Badezimmer.
    Keith war nicht entzückt, als ich ihm sagte, ich fühlte mich nicht sehr wohl und ging wieder ins Bett. Er wollte Action. Er wollte, daß wir unsere nächsten Schachzüge planten. Ich wollte den Kopf zwischen zwei Kissen klemmen und schlafen, vielleicht sterben. Sollte ich überleben, wollte ich mit Tony Levi reden, und zwar allein. Ich stellte mir den Wecker auf halb zwei nachmittags, und als ich aufwachte, hatte ich Hunger. Keith war weg. Er hatte einen Zettel auf den Tisch im Wohnzimmer gelegt. »Bin nach Hause, mich umziehen. Melde mich später.«
    Ich ging in die Küche, machte den Kühlschrank auf und nahm den harten kleinen Quader Chedder heraus, der einsam im zweiten Fach ruhte. Ich schob zwei Scheiben Weißbrot unter den Grill, und während ich auf dem zähen, unnachgiebigen Käsebrocken herumnagte, starrte ich in den feuchten, tristen, grauen Sonntag hinaus, der sich vor meinem Küchenfenster im fünften Stock präsentierte. Gott, wie oft hatte ich das schon allein getan? Carla hatte einmal zu mir gesagt, daß es bei mir nicht weitergegangen sei. Sie hatte recht. Was hatte ich von dieser harten, einsamen Trinkerei und von Katern, die einen ganzen Tag dauerten? Was fand ich an dieser miesen Bude? Ich fühlte mich geschlagen, angestrengt von Keith eifriger Energie und so erschöpft. Lag mir jetzt wirklich etwas daran? Wollte ich wirklich durch all diese Verkommenheit waten? Keith war auch nicht anders als der ganze Rest; auch er wollte bei Carlas Tod etwas gewinnen: ein kleines bißchen Ruhm. Und was wollte ich? Gerechtigkeit. Hör auf. Was wollte ich wirklich? Ich wollte Frieden. Ich wollte diesen ganzen Alptraum wegwischen. Ich wollte nicht, daß es kurz vor Weihnachten war. Ich wollte nicht sehen, wie die kleinen Plastikdekorationen und der Sprayschnee der Saison überall in den Fenstern erschien wie Reihen von billigen Karten. Ich wollte, daß die Welt hell und warm war. Ich wollte Sommer mit Fliegen und Blumen. Ich wollte mich wieder mit Carla unterhalten. Ich wollte es mir anders überlegen, wollte ihr sagen, daß ich doch mit ihr auf die Tournee gehen, daß ich ihre Freundin sein wollte. Wollte die Leute im Auge behalten, diese Männer um sie herum. Sie wieder nach Hause bringen, lebendig. Das hätte ich gekonnt. Was hätte es gekostet? Ich hätte ihr erklären können, wie ich es haben wollte. Hätte ich das getan, statt zu erwarten, daß sie es wußte, wäre dann heute alles anders gewesen? Sie hätte mir eine Nachricht geschickt, Postkarten, auf denen stand: »War schön, wenn du hier wärst«, und ich wäre darüber verlegen gewesen. Jetzt schämte ich mich.
    Der Geruch von verbranntem Toast kroch über mich hinweg. Ich sprang auf, zog die Pfanne unter dem Grill weg und kippte die verkohlten Scheiben in die Spüle. Die gelben Flammen erloschen sofort unter dem Schwall Wasser aus dem Hahn, und dunkle Rauchwolken verdüsterten das Fenster und erfüllten die Küche. Meine

Weitere Kostenlose Bücher