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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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von der Hochbrücke über die Bow herunterführte. Der Wagen schlängelte sich zwischen den blinkenden Kegeln hindurch, die die Fahrspuren voneinander trennten.
    »Hunger?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Steak?«
    »Ich hätte Lust auf McDonald’s.« Ich dachte an eine beruhigende helle Beleuchtung und die großen Glasfenster des rotgoldenen Hamburger-Palastes.
    Tony lachte leise. »Wird ein billiger Abend mit Ihnen, was?«
    »Kann sein, aber wer sagt was davon, daß Sie bezahlen?« erwiderte ich grob, und bis wir in East Ham waren, sprachen wir lieber nicht mehr miteinander.
    Der Laden war fast leer. Wir stellten uns zusammen an, und Tony trug das Tablett mit Speisen und Getränken zu einem Tisch, der ein Stück weit vom Fenster weg und der Tür zugewandt war, und ich wühlte in meiner Tasche nach Geld. Dann packten wir die Kartons aus, immer noch wortlos.
    »Entspannen Sie sich«, sagte er, nachdem er einen triefenden Happen von seinem Big Mac abgebissen und sich mit der Zunge über die feuchten Lippen geleckt hatte.
    Ich legte meinen Hamburger hin. »Ich kann nicht. Reden Sie schon. Jetzt.«
    Er nahm noch einen Bissen, und ich wartete, während er langsam kaute und wieder schluckte. Diesmal wischte er sich mit der Serviette rund um den Mund und blickte dann auf. »Nach allem, was ich auf dem Ausdruck gesehen habe, waren es nur Johnny Waits’ Verkaufszahlen. Nicht Carlas. Es war eine ökonometrische Trendanalyse, ja? Sie wissen, was das ist?«
    »Ja, aber verzeihen Sie, wenn ich sage, es überrascht mich, daß Sie es wissen.«
    »Yeah, also... Ich würde vermuten, daß sie ein Statistikprogramm verwenden, um die Marketing-Variablen auf dem Hintergrund der Verkaufszahlen zu analysieren und dann eine Prognose zu errechnen. Vielleicht haben sie ein Expertensystem vorgeschaltet, um zu bestimmten Schlußfolgerungen zu kommen. Datenbanken und Spreadsheet-Kalkulationen mit einem zusätzlichen Kniff? Was meinen Sie?«
    Ich meinte, daß er mehr von den kleinen Kästchen verstand, als er sich anmerken ließ, und wartete, daß er weiterredete.
    »Was man damit macht — man baut ein Computermodell von früheren Todesfällen und daraus folgenden Verkaufszahlen, und dann läßt man den Computer nach einem zugrundeliegenden Muster suchen. Es sind nur Indizien, aber sie weisen uns in die richtige Richtung, nicht wahr?«
    Er war ein cleverer Junge.
    »Wie Ihr Kumpel Keith sagte: Sie haben den Tod zu einem Marketingfaktor gemacht. Das Programm berücksichtigt alles und sagt dann, wann ein Produkt mit Maximalprofit einzustellen ist. Und das hat es gesagt. Es stand in den Zahlen. Johnny Waits mußte im November 1988 sterben, um den größtmöglichen Ertrag zu erwirtschaften. Das ist mit ’ner Maschine nicht so schwierig rauszurechnen, wissen Sie; man muß nur ein schlimmer Finger sein, wenn man es möchte. Erinnern Sie sich an das sechsmonatige Comeback, mit dem alle Welt daran erinnert wurde, wie großartig er war, und dann...«
    »Warum haben Sie mir das nicht sofort erzählt?« fragte ich. Er zuckte die Achseln. »Na, kommen Sie.«
    »Hören Sie, ich hab’s eben nicht erzählt. Okay?«
    »Nein, nicht okay.«
    Er nahm ein paar Pommes frites aus seiner Schachtel. »Sie sind ziemlich aufbrausend, was?« sagte er, bevor er sich die Kartoffelstäbchen in den Mund schob.
    Ich machte die Augen zu und zählte bis zehn. »Glauben Sie, sie haben es bei Carla nicht eingesetzt?«
    Der Blick, den er mir zuwarf, hatte fast etwas Mitleidiges. »Wenn sie es bei Waits ausprobiert haben, warum nicht auch bei ihr? Warum nicht bei jedem potentiellen Verlierer in ihren Büchern? Warum fünf oder zehn Jahre auf ein Comeback warten? Warum Millionen ausgeben, damit irgendein One-Hit-Wonder sich auf dieser schwierigen zweiten LPs wiederentdecken kann, an denen man oft drei Jahre produziert, ohne daß ein einziges gutes Stück drauf wäre?«
    »Das kann ich nicht glauben.«
    »Ja, gut. Was dachten Sie denn? Daß das richtige Business aus lauter Albert Schweitzern besteht? Noch nie von Wirtschaftverbrechen gehört? Die großen Unternehmen treffen ständig Entscheidungen, die ausschließlich profitorientiert sind — Milchpulver für Dritte-Welt-Babies, Fabriken, die Gift freisetzen, Medikamente, die zu Mißbildungen bei Kindern führen, Autos mit Benzintanks, die explodieren, wenn jemand Ihnen nur die hintere Stoßstange ein bißchen verbeult. Was glauben Sie denn — Tonbänder klauen ist das Schlimmste auf der Welt?« Er nahm einen letzten Bissen von dem,

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