LIEBES ABENTEUER
lächle und schaue in ihre ausdruckslosen Gesichter. Ich bin der Inbegriff der Verkaufsrepräsentantin. Ich könnte zweifellos bei einer Castingshow wie Star Search mitmachen.
Die ganze Palette der Ewigkeitssingles sitzt vor mir: glatzköpfige Männer, die sich für Keanu Reeves oder Johnny Depp halten. Ich schüttle meine Gedanken ab. Schließlich bin ich im Haus Gottes.
»Viele von euch hatten das Glück, an dem Thanksgiving-Essen teilzunehmen, das unsere liebe Kay Harding für uns zubereitet hat.«
»Ja, Kay!«, ruft Greg, und ein kurzer Applaus geht durch die Reihen. Niemand hat bis jetzt bemerkt, dass sie nicht da ist.
»Ich habe ihre Anschrift auf die Tafel geschrieben, dort könnt ihr eure Dankeskarten hinschicken. Sie ist heute morgen zu Hause und weint, weil niemand ihr seine Wertschätzung gezeigt hat für die tagelange Mühe, die sie sich mit dem Essen gemacht hat. Und ihr solltet ihr eure Wertschätzung zeigen, denn ich weiß, dass keiner von euch absichtlich eine Glaubensschwester verletzen würde.«
Kelly schiebt sich langsam auf mich zu, als wolle sie mir das Podium entreißen, aber ich halte es fest. »Ich habe auch meine Anschrift angeschrieben. Dorthin könnt ihr eure Dankeskarten schicken, um mir zu danken, dass ich eure Teller gespült und eure Getränkedosen entsorgt habe.«
Kelly kommt noch näher, und ich werfe ihr einen Blick zu, der sagt: Leg dich nicht mit mir an, meine Liebe. Ich fühle gerechten Zorn, und ich werde nicht aufhören. »Ich möchte euch einen Bibelvers vorlesen. Er steht in Jakobus 3,13. ›Wer ist weise und klug unter euch? Der zeige mit seinem guten Wandel seine Werke in Sanftmut und Weisheit.‹«
Sie schauen mich mit Augen so groß wie Wagenräder an, und ich weiß, dass ich gleich unterbrochen werde, also rede ich so schnell wie möglich weiter. »Kay tut all das für euch aus Liebe zu Gott. Sie will ihm dienen. Jeden Mittwochabend versorgt sie eine Bibelgruppe, in der sogar König Salomo nur zu gerne zu Gast wäre. An Thanksgiving hat sie zwei Tage lang in der Küche gewerkelt und ihr gutes Porzellan aufgetischt, damit ihr euch alle wie zu Hause fühlt. Sie will kein Lob oder Aufmerksamkeit, aber vielleicht könntet ihr euch alle aufraffen, ihr zu sagen, dass sie einen wichtigen Beitrag leistet.«
Na gut, jetzt kommen mir ein wenig die Tränen.
»Ich wäre euch wirklich dankbar dafür. Ich liebe Kay, und ich hasse es, sie so verletzt zu sehen. Und ich weiß, dass es euch genauso geht.«
Pastor Max nickt, als wollte er sagen, das war ganz okay.
Beim Hinausgehen höre ich das Gemurmel: »Ihr Freund hat sie gerade verlassen.«
»Kann man es ihm verübeln? Sie ist eine wütende Tussi.«
»Sie hat sich nicht unter Kontrolle.«
Lauter Sätze, damit sie sich besser fühlen. Ich mache auf dem Absatz kehrt und gebe noch einen letzten Kommentar ab. »Die Ankündigung für Weihnachten ist, ...« Kurze Pause, um die Sache wirkungsvoller zu machen. Kleiner Anwaltstrick. »Ihr werdet eure Weihnachtsfeier selbst organisieren. Kay hat ziemlich viel um die Ohren mit der Renovierung unseres Hauses, und das hat Vorrang.«
Mit hocherhobenem Kopf verlasse ich den Unterricht. Draußen laufe ich ausgerechnet Arin in die Arme, die einen lilafarbenen indischen Sari trägt mit Goldschmuck und einem Bindi- Punkt auf der Stirn. Mein erster Gedanke ist: Hat Seth mir das Tuch und ihr den Rest des Gewandes geschenkt?
»Hallo Ashley.«
»Arin.« Ist Halloween? »Bist du jetzt zum Hinduismus übergetreten?«
Sie lächelt. »Natürlich nicht. Ich gehe nach Indien. Darüber wollte ich letzte Woche mit dir reden, als du hier rausgerannt bist, um zu Brea zu fahren.«
»Ach ja. Seth hat es mir erzählt. Nun, ich wünsche dir alles Gute.« Ich versuche weiterzugehen, aber sie packt mich am Arm.
»Ich hoffe, du bist nicht sauer auf mich, Ashley. Aber ich habe wirklich das Gefühl, dass ich dazu berufen bin.«
»Dienst um jeden Preis. Das verstehe ich gut.«
»Du bist wütend wegen Seth und mir.«
Als ich die Worte »Seth und mir« höre, wird mir bewusst, dass ich noch nicht so sehr darüber hinweg bin, wie ich es gerne wäre. Aber andererseits ist wohl niemand jemals froh, wenn der Ex die nächste Freundin hat. Vor allem nicht, wenn es passiert ist, bevor man sich wirklich getrennt hat. »Ich glaube, ich weiß nicht, was du mit ›Seth und mir‹ meinst.« Ich schaue geradewegs in ihre strahlend blauen Augen, und für einen kurzen Moment verfinstern sie sich. »Aber wie auch immer,
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