LIEBES ABENTEUER
recht. Meine Einkaufslust hat mich schließlich doch in Schwierigkeiten gebracht. »Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Ich kann nicht gut feilschen, und Hans hat es mir beigebracht. Gleich am nächsten Tag bin ich in denselben Laden gegangen und habe auf meine Rechnung etwas für seine Freundin gekauft. Einen Rubinring. Ich kann Ihnen den Kontoauszug zeigen, sobald ich ihn bekomme.«
»Und wer ist Hans’ Freundin?« Mr. Whiting steht mit einem Druckbleistift in der Hand da.
»Sophia. Aber sie ist nicht mehr hier. Sie ist nach Italien geflogen.«
Der Vorsitzende nickt langsam. »Kann ich bitte den Schmuck sehen, den wir gekauft haben?«
Ich ziehe den Ring vom Finger und lege ihn mitten auf meinen Schreibtisch. Er erscheint mir gar nicht mehr schön. Er wirkt beängstigend und böse. Ich bin die Herrin des Rings. »Ich werde jeden Cent zurückzahlen. Bitte verstehen Sie das, ich dachte wirklich, ich hätte ihn bezahlt.«
»Miss Stockingdale, Ihnen ist doch klar, dass alles, was wir hier besprochen haben, unter uns bleiben muss. Wir wollen nicht, dass unsere Aktionäre etwas davon erfahren.«
»Den Vertrag können wir für ungültig erklären. Sie haben mit der Produktion noch nicht angefangen, und wenn wir nachweisen können, dass ein illegaler Passus eingefügt wurde, bewegen wir uns international auf sicherem Boden.« Das war’s, brave Ashley. Sprich wie eine Anwältin. Sie bezahlen dich nicht dafür, nur gut auszusehen. Aber natürlich zittere ich. Vielleicht bezahlen sie mich demnächst gar nicht mehr.
»Es hat Gerüchte gegeben, Miss Stockingdale«, meldet sich ein anderes Vorstandsmitglied zu Wort, »dass Sie häufig sehr engen Kontakt zu Hans hatten.«
»Meine Beziehung zu ihm war rein beruflicher Natur. Die einzigen Ausnahmen waren der Ausflug zum Juwelier und das Abendessen, zu dem er meinen Freund und mich eingeladen hatte.«
»Und ihr Freund ist?«
»In Indien.«
»Meine Güte, Sie beide haben aber wirklich internationale Beziehungen.«
Genau genommen sind uns beide gerade international abhanden gekommen. Seltsamer Zufall.
»Silicon Valley ist international.«
Der Vorsitzende hat meine Personalakte vor sich liegen. »Gibt es hier im Büro jemanden, der uns bestätigen kann, was Sie sagen?«
Ich zucke mit den Schultern und lasse den Kopf in die Hand sinken. »Ich habe keine Ahnung.«
Der Mokka rumort in meinem Magen. Ich wünschte, ich hätte nur einen Espresso getrunken und Sahne und Zucker weggelassen. Aber angeklagt zu werden, internationale Gelder veruntreut zu haben, lässt die paar Extrakalorien bedeutungslos erscheinen, und vielleicht würde ich das hier ohne den Insulinstoß gar nicht überleben.
Da kommt Tracy herein, ihre Figur in ein kunstseidenes Oberteil und eine bauchfreie Cordsamthose gezwängt. »Darf ich den Herren Kaffee bringen?«
Der Vorsitzende schaut sie an und will gerade antworten, stellt dann aber eine Gegenfrage. »Wissen Sie, welcher Art Miss Stockingdales Beziehung zu Hans war?«, will er wissen.
Tracy schaut mich an und verschränkt die Arme über der Brust. »Hans’ Beziehung zum Alkohol und vielleicht auch zu Drogen war enger. Ich habe einmal beobachtet, wie er ein Päckchen mit einem Pulver fallen ließ, und er kam oft schniefend aus seinem Büro.« Tracy wendet ihren Blick ab.
Autsch! Und ich dachte, er sei allergisch gegen meinen Hund. Ich bin so ein Idiot. Oh Gott, ich habe absolut keine Menschenkenntnis. Gar keine. Ich hätte bis zu meinem Tod behauptet, Hans sei unschuldig. Aber wenn ich an all die kleinen Zeichen auf dem Weg denke, dann habe ich sie doch bemerkt: die wilden Stimmungsschwankungen, das dauernde Schniefen, das nervöse Zucken ...
»Miss Stockingdale, haben Sie diese Anzeichen je bemerkt?«
»Ich fürchte, ich weiß gar nicht, worauf ich hätte achten müssen. Ich weiß, dass er viel Wein getrunken hat. Aber da keiner meiner Freunde Alkohol trinkt, weiß ich nicht, ob es übermäßig viel war.«
»Wir werden einen externen Berater einschalten, Miss Stockingdale. Das werden Sie sicher verstehen.«
Ich nicke. Schon wieder rausgeflogen. Diesmal ohne Abfindung. Vielleicht hätte ich doch nach Indien gehen sollen. »Ich verstehe. Ich werde mein Büro räumen.«
»Nein, wir wollen nicht, dass Sie gehen, Miss Stockingdale. Sie sind jetzt in der Unternehmensleitung, und wir können nicht die ganze Führungsebene entlassen, sonst laufen uns die Aktionäre davon. Es ist schon schlimm genug, dass wir dem Geschäftsführer fristlos
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