Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)
Erleichterung.
Sie ließ mich allein bis zu dem Tag – beziehungsweise Abend –, an dem wir sonst immer zusammen fernsahen. Da kam sie mit einer Dose Suppe. Nicht genug, um eine ganze Mahlzeit zu sein, und nicht etwas, was sie selbst gekocht hatte, aber immerhin ein Beitrag zu einer Mahlzeit. Und sie kam zu früh, damit Zeit dafür blieb. Sie machte auch die Dose auf, ohne mich zu fragen. Sie kannte sich in der Küche aus. Sie machte die Suppe heiß, holte die Suppenteller heraus, und wir aßen zusammen. Ihr Verhalten schien mich daran erinnern zu wollen, dass ich ein kranker Mann war, der dringend Nahrung brauchte. Und in gewisser Weise stimmte das auch. An dem Tag hatte ich es mittags wegen meiner zittrigen Hände nicht fertiggebracht, selber den Dosenöffner zu benutzen.
Sonst sahen wir uns immer zwei Serien nacheinander an, aber nicht an dem Abend. Oneida konnte das Ende der zweiten nicht abwarten, sondern fing ein Gespräch an, das mich tief verstörte.
Es ging darum, dass sie zu mir ziehen wollte.
Zum einen, so ihre Worte, war sie in ihrer Wohnung nicht glücklich. Sie hatte einen großen Fehler gemacht. Häuser waren ihr lieber. Was aber nicht bedeutete, dass sie es bedauerte, das Haus verlassen zu haben, in dem sie geboren worden war. Alleine in dem Haus zu leben hätte sie um den Verstand gebracht. Der Fehler war einfach, zu denken, dass eine Wohnung die Antwort sein könnte. Sie war darin nie glücklich gewesen und würde es nie sein. Klargeworden war ihr das durch die Zeit, die sie in meinem Haus verbracht hatte. Während meiner Krankheit. Das hätte ihr schon vor langer Zeit klarwerden müssen. Vor langer Zeit, als sie ein kleines Mädchen war und sich, wenn sie bestimmte Häuser sah, gewünscht hatte, darin zu leben.
Außerdem, so sagte sie, seien wir nicht mehr so recht imstande, für uns selbst zu sorgen. Was, wenn ich krank geworden und ganz allein gewesen wäre? Was, wenn so etwas wieder passierte? Oder ihr passierte?
Wir hätten bestimmte Gefühle füreinander, sagte sie. Wir hätten ein Gefühl, das nicht das übliche sei. Wir könnten wie Bruder und Schwester zusammenleben und uns wie Bruder und Schwester umeinander kümmern, und es wäre das Natürlichste auf der Welt. Alle würden das so hinnehmen. Wie sollten sie auch nicht?
Während sie so redete, fühlte ich mich die ganze Zeit über grauenhaft. Wütend, erschrocken, entsetzt. Am schlimmsten war, als sie gegen Ende davon sprach, dass niemand sich etwas dabei denken würde. Dabei verstand ich, was sie meinte, und konnte mir auch vorstellen, dass die Leute sich daran gewöhnen würden. Ein oder zwei schmutzige Witze, die uns vielleicht sogar nie zu Ohren kommen würden.
Möglich, dass sie recht hatte. Möglich, dass es sinnvoll war.
Dabei fühlte ich mich, als hätte man mich in einen Keller geworfen und die Falltür über meinem Kopf zugeschlagen.
Was sie auf keinen Fall erfahren durfte.
Ich sagte, das sei eine interessante Idee, aber etwas mache es unmöglich.
Was denn?
Ich hätte versäumt, es ihr zu sagen. Wegen der Krankheit und dem Durcheinander und allem. Aber ich hätte das Haus zum Verkauf angeboten. Dieses Haus sei verkauft.
Ach. Ach. Warum hatte ich ihr das nicht gesagt?
Ich hatte ja keine Ahnung, antwortete ich wahrheitsgemäß. Keine Ahnung, dass sie so etwas plante.
»Also ist es mir einfach zu spät eingefallen«, sagte sie. »Wie so oft in meinem Leben. Mit mir muss irgendwas nicht stimmen. Ich komme nie dazu, über alles richtig nachzudenken. Ich denke immer, es ist noch viel Zeit.«
Ich hatte mich gerettet, aber nicht ohne einen Preis. Ich musste das Haus – dieses Haus – wirklich auf den Markt bringen und so schnell wie möglich verkaufen. Fast so, wie sie es mit ihrem gemacht hatte.
Und ich verkaufte es auch fast genauso schnell, obwohl ich nicht gezwungen war, ein so lächerliches Angebot anzunehmen wie sie. Dann musste ich mich um all den Krempel kümmern, der sich angehäuft hatte, seit meine Eltern gleich nach der Heirat hier eingezogen waren, weil sie kein Geld für irgendeine Hochzeitsreise gehabt hatten.
Die Nachbarn waren verblüfft. Es waren keine alteingesessenen Nachbarn, sie hatten meine Mutter nicht gekannt, aber sie sagten, sie hätten sich so an mein Kommen und Gehen gewöhnt, an meine Regelmäßigkeit.
Sie wollten wissen, was ich jetzt für Pläne hätte, und mir wurde klar, dass ich überhaupt keine hatte. Außer die Arbeit zu tun, die ich immer getan und schon etwas
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