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LIEBES LEBEN

LIEBES LEBEN

Titel: LIEBES LEBEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Billerbeck
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will ein Gerichtsverfahren am Hals haben, und das glaube ich nicht. Ich brauche einfach einen freien Tag, und den nehme ich mir jetzt. Die Arbeit wird erledigt werden. Habe ich dich schon jemals im Stich gelassen?«
    Ihre nächsten Worte schluckt sie hinunter. Das höre ich sogar trotz des offenen Verdecks und dem Wind, der mir ins andere Ohr rauscht.
    Ich spreche ruhig weiter. »Morgen bin ich wieder da, und alle werden rechtzeitig bekommen, was sie brauchen. Der Tag heute gehört Gott.«
    »Natürlich, Ashley. Wenn du irgendetwas brauchst, ruf an. Ich mache mir Sorgen um dich.«
    Sie ist wieder besorgt. Ich hinterlasse eine Reihe von Panik ergriffener Menschen, nur weil ich mir einen freien Tag nehme. Was sagt das über mich?
    »Brea«, sage ich meinem Telefon. Sie nimmt ab.
    »Jetzt bist du ja daheim«, schelte ich mit ihr.
    »Natürlich bin ich daheim. Ich habe mir heute Morgen Kinderbetten angesehen. Hast du mich auf dem Handy angerufen?«
    »Ja, aber in diesem Loch von Kinderbettenladen hat dein Handy wahrscheinlich nicht funktioniert. Kauf dir endlich ein gescheites Handy«, kritisiere ich.
    »Ich war nur eine Stunde dort.«
    »Das war zufällig die Stunde, in der ich im Gefängnis saß.«
    »Was um alles in der Welt ...?«
    »Ich habe einen Polizisten geschlagen. Es ist eine lange Geschichte, aber er hat nach meiner Prada-Handtasche gegriffen. Aber das ist vorbei. Jetzt fahre ich an den Strand. Ich ziehe heute Abend bei Kay Harding ein - wollte dir nur sagen, dass ich dann zu dir komme, um meine Sachen zu holen, und dann bin ich dir aus den Füßen. Das wird John freuen.«
    »Spar dir die Bemerkung. John hat dich gerne hier.«
    Ja, genauso gerne wie man sich um die fauchende, eingesperrte Katze des Nachbarn kümmert.
    »Soll ich dir am Strand Gesellschaft leisten?«, fragt sie.
    »Nein, danke. Ich ruf dich heute Abend an.« Ich lege auf und mache noch einen letzten Anruf. Es ist das Gespräch, vor dem mir am meisten graut.

30
    Die gewundene, kurvige Straße, die durch die Rotholzwälder zum Strand führt, ist zugleich tückisch und schön. Raser fahren oft über hundert Kilometer pro Stunde, und an den Haarnadelkurven sind Unfälle dann unvermeidlich. Auf dem Asphalt der Schnellstraße 17 sind viele Bremsstreifen, und die Leitplanken sind überreich mit bunten Lackstreifen übersät, wie irgendein krankes Kunstexperiment.
    Aber ich kann mich nie lange auf das alles konzentrieren. Ich spüre die Sonne auf meinem Gesicht, obwohl ich die Heizung auf höchster Stufe laufen lassen muss, um gegen die kalte Januarluft anzukommen. Die Schönheit um mich herum hebt meine Stimmung. Wenn ich nur überlege, was für Geschichten diese Bäume wohl aus ihrem Leben erzählen könnten - einem Leben, das zurückreicht bis zu der Zeit, als Jesus auf dieser Erde lebte. Diese Straße, die eine Schneise durch den Wald macht, ist wie ein Stück Himmel auf Erden, abgesehen von den Unfällen natürlich.
    Ich bin so hingerissen von allem, dass ich meinen Anruf bei Kevin, dem ich sagen will, dass das mit uns keine Zukunft hat, hinausschiebe. Man muss einen so wunderbaren Tag nicht damit ruinieren. Ich habe meine Probleme zusammen mit dem Verdeck meines Cabrios in Palo Alto zurückgelassen.
    Jahrelang haben diese belanglosen Dinge mein Leben ausgemacht. Wie zum Beispiel, dass es in meinem Café keine echte Schlagsahne mehr gibt und sie stattdessen Sprühsahne nehmen. Oder dass meine Sachen nicht rechtzeitig vor meinem Auslandsflug aus der Reinigung zurück sind. Oder etwas ganz Schreckliches: das Patent für ein Produkt, das neu auf den Markt soll, nicht rechtzeitig zu bekommen.
    Mir kommt plötzlich der Gedanke aus dem Buch Prediger, dass all das bedeutungslos ist. Ich kann nicht wirklich behaupten, dass irgendetwas von dem, was ich erreicht habe, Bestand hat.
    Als ich von der Schnellstraße abfahre, kann ich das Meer riechen. Der salzige Geruch schlägt mir entgegen, und ich gehorche dem Ruf der brechenden Wellen und der wilden Klippenlandschaft. Ich fahre durch den Ort, vorbei an all den komischen Gestalten, die Santa Cruz zu Santa Cruz machen.
    Ich fahre auf einen Parkplatz, lasse die ungeheure Aussicht auf mich wirken und lausche eine Weile dem Donnern der sich brechenden Wellen. Diese beständige Bewegung, die die Erwartung immer wieder erfüllt. Die Farbe des Wassers ist überwältigend. Hier schauen sich die Wellnessbäder die Farben ab.
    Ich greife nach meinem Notizbuch, denn das ist ein Tag, den man festhalten muss. Ich

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