LIEBES LEBEN
musst es nicht wiedergutmachen. Ich möchte nur, dass du das nie wieder machst. Weder mit mir noch mit irgendjemand anders, Seth. Du musst ein bisschen besser aufpassen, wie du mit deinen ... Freunden umgehst. Vielleicht war ich naiv, aber ich dachte wirklich, du wolltest mit mir ausgehen.« Schnell halte ich mir die Hand vor den Mund. Habe ich es tatsächlich zugegeben?
Er nickt und räuspert sich. »Als du in Taiwan warst, habe ich dich ehrlich vermisst, Ash.« Beim nächsten Satz schaut er mich nicht an. »Arin vermisse ich nicht, und ich denke auch nicht an sie.«
Gott, darf ich dich einmal ganz kurz anschreien? Ein halbes Jahr lang wollte keiner mit mir ausgehen! Ein ganzes halbes Jahr, Gott! Und jetzt musst du mir an einem Wochenende zwei Männer vorsetzen? Das ist grausam. Ich bin schließlich nicht aus purer Ironie da!
»Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll, Seth. Du hast Arin doch gar nicht wirklich gekannt. Aber wir waren Freunde. Zumindest dachte ich das.«
»Können wir heute zusammen mittagessen? Nur du und ich. Ohne die anderen.«
Ach ja, die Singles. Die hatte ich total vergessen. Schon traurig, dass meine ganze Identität so eng mit einer Gruppe von Menschen zusammenhing, die mir nach einer Woche Abwesenheit nichts mehr bedeutet.
»Heute geht es nicht, Seth. Ich gebe eine Brautparty für die Verlobte meines Bruders.«
Er sieht niedergeschlagen aus. So wie ein Bräutigam, der für die Rosenzeremonie bei seiner Hochzeit keine Rose hat. Ich sollte ihm jetzt eigentlich auf der Stelle sagen, dass ich mit Dr. Kevin Novak befreundet bin, dass ich ihn geküsst habe und in mir dabei ein Feuerwerk hochging. Aber bei dem Gedanken daran, wie sehr ich Seth damit verletzen würde, halte ich den Mund. Ich bin ein Trottel. Vielleicht ist es auch, weil es noch nicht Mittwoch ist und ich noch nicht sicher weiß, ob ich mit einem Arzt befreundet bin oder ob ich nur einen momentanen Schwachpunkt erwischt habe, weil es mein erster Tag als fantastische Frau war.
»Vielleicht ein andermal?« Seth geht die Treppe hinauf. Inzwischen strömen die Menschen förmlich in den Gottesdienst, und wir sollten uns ihnen anschließen.
»Seth«, sage ich mit einem Hauch von Verzweiflung in meiner Stimme.
Er nimmt meine Hand und drückt sie. »Ich rufe dich an«, sagt er lächelnd.
Großartig. Jetzt warte ich auf zwei Anrufe. Habe ich ein Schild auf dem Rücken, auf dem NAIVLING steht, oder was?
Nach einer einstündigen Predigt darüber, wie wichtig es ist, als Christ ehrlich und aufrichtig zu sein, schleiche ich mich verwirrter denn je in meine Wohnung zurück. In einer Stunde werde ich dieses künstliche Lächeln aufsetzen, und meine Verwandten werden mich fragen, wann ich eigentlich heiraten werde. (Deshalb auch der Gottesdienstbesuch an so einem schweren Tag. Ich brauche die Gewissheit, dass Gott bei alldem bei mir ist.) Eigentlich bin ich als Single ganz glücklich, wenn ich nicht gerade von wohlmeinenden Freunden und Verwandten daran erinnert werde, wie schrecklich es ist.
Ich kann sie schon hören mit ihrem Scarlett-Südstaatenakzent:
»Oh Ashley ... wie schaffst du das nur so ganz allein? Mit niemandem, den es interessiert, wann du kommst oder gehst. Das muss doch schrecklich für dich sein, meine Liebe.«
Mein Telefon klingelt. Ich weiß schon, dass es meine Mutter ist, die mir sagt, dass ich unterwegs noch ein bisschen Sülze oder sonst etwas mitbringen soll, aber die Nummer auf dem Display kenne ich nicht. »Hallo?«
»Ashley?«
Es ist ein Mann. Wunder gibt es immer wieder. »Ja?«, antworte ich gedehnt. Ich muss wirklich endlich anfangen zu leben.
»Ashley, hier ist Dan Hollings aus der Highschool. Nancys Bruder. Sie hat mir erzählt, dass sie dich bei Bloomingdales getroffen hat und dass du noch Single bist ... genau wie ich.«
Bong.
»Richtig, Dan Hollings. Sie ist wirklich reizend, deine Schwester Nancy.« Finger im Hals. Wie war das noch mal mit ehrlich und aufrichtig sein als Christ? Bestimmt trifft mich jetzt gleich der Blitz.
»Hast du vielleicht diese Woche irgendwann mal Zeit? Wir könnten zusammen mittagessen und erzählen, was inzwischen so passiert ist.«
Mittagessen ist gut. Mittagessen ist kurz. Mittagessen kann durch einen einfachen Telefonanruf unterbrochen werden. »Das wäre schön.« Ich bringe dich um, Brea.
Dan Hollings hat in der Highschool in der Marschband gespielt. Das alleine wäre noch kein Hinderungsgrund. Ich hatte schon immer einen Hang zu Außenseitern. Aber Dan
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