LIEBES LEBEN
Vorzüge, rufe ich mir ins Gedächtnis, während er den Wein im Mund hin und her spült wie Mundwasser. Natürlich sieht er umwerfend aus. Er ist Arzt. Ein Arzt, der Kinder liebt. Bei der Wahl seines Autos könnte er natürlich etwas Hilfe gebrauchen, aber ich überlege mir ständig, was es mit diesem Vorstellungsgespräch bei seinen Eltern auf sich hat. Ob Arin hier bestanden hat? Ich mag Arin sehr, aber sie ist keine Gehirnchirurgin. Und Männer haben es an sich, schöne Frauen zu dem zu machen, was sie wollen. Hat Kevin das mit Arin versucht und ist gescheitert?
Irgendwie sind die Männer selber schuld. Für sie sind schöne Frauen automatisch auch die besten und nicht diejenigen, die die meiste Pflege brauchen. Ich? Bei mir ist der Pflegeaufwand durchschnittlich. Langfristig muss das doch ein Vorteil sein.
Aber mich beschleicht das Gefühl, dass Kevin an diesem Punkt nicht selbst die Entscheidung trifft. »Wie habt ihr beide euch kennen gelernt?«, fragt Mrs. Novak.
»Ich bin eine Freundin von Arin«, antworte ich und warte auf die Reaktion.
»Arin?«, sagt seine Mutter, als hätte ich gerade erzählt, ich hätte Madonna vor laufenden Kameras einen Zungenkuss gegeben.
»Sie kennen sich aus der Gemeinde. Arin und Ashley singen zusammen in der Band«, wirft Kevin ein.
»Sind Sie sehr musikalisch, Ashley? Musiker sind auch gut in Mathematik«, stellt Dr. Novak fest.
Ich höre im Auto Lobpreislieder von David Crowder. »Nein, nicht besonders.«
Jetzt schauen sich seine Eltern an. Ich habe nicht bestanden, und darüber bin ich so froh. Nicht, dass ich Kevin nicht möchte.
Er ist noch nicht abgeschrieben. Nur für solche Schwiegereltern wie die beiden bin ich noch nicht bereit. Meine eigenen Eltern sind schon schlimm genug ...
»Sie kann nach Noten singen«, meint Kevin.
Und dann klingelt mein Handy. Es ist meine Mutter, und plötzlich könnte ich sie knutschen für ihre wunderbaren, nervigen Anrufe. »Entschuldigen Sie bitte«, sage ich, als sei ich wer weiß wie wichtig. »Es dauert nur einen Augenblick. Hallo. Ashley Stockingdale.«
»Ashley, bist du schon aus diesem schrecklichen Land zurück?«
»Ich bin zurück. Ich bin in San Francisco. Bin gerade vor einer Stunde angekommen.« Ich bin eine Staranwältin, da sollte mich der nagende Tonfall meiner Mutter nicht aus der Fassung bringen. Aber ich bin auch nur ein Mensch - und genau wie Hunde bei gewissen Tönen anfangen zu heulen, reagiere ich manchmal auf den Tonfall meiner Mutter. Kevins Eltern erscheinen mir von Sekunde zu Sekunde angenehmer.
»Die Gemeinde hat an Daves Hochzeitstag schon eine Veranstaltung, deshalb verlegen wir die Hochzeit nach Las Vegas. Ich habe die Brautparty jetzt für Sonntag geplant. Und ich habe Einladungen verschickt und alle angerufen, die sich nicht sofort gemeldet haben. Es kommen vierundzwanzig Gäste. Du musst dich also an die Arbeit machen.«
Diese Frau kann mich mehr stressen als jeder technische Leiter, der je gelebt hat. Ich soll eine Brautparty planen, die wann stattfindet? In zwei Tagen? Ich gehe hinaus in die Eingangshalle, wo ich in heiserem Flüsterton mit ihr sprechen kann. »Mama, ich bin die Brautjungfer. Ich muss eigentlich die Party planen.«
»Du hast die Party ja auch geplant - bis du in dieses Dritt-Welt-Land entschwunden bist, ohne uns einen Ton zu sagen. Ich musste deine Sekretärin anrufen, um zu erfahren, dass meine Tochter in Taiwan ist. Ashley, du wirst niemals einen Mann finden, wenn du so einfach verschwindest.«
»Mama, es ist gerade sehr ungünstig. Ich bin hier mit den Eltern eines Freundes. Ich habe sie gerade erst kennen gelernt.« Komm schon, erinnerst du dich an all den Blödsinn, von wegen der erste Eindruck ist entscheidend, den du mir beigebracht hast?
»Nun, da du in der Stadt bist, kauf noch ein paar schöne Preise für die Spiele ein. Ich denke, wir werden etwa sechs Sachen brauchen. Jedes etwa fünfzehn Dollar. Was hast du zum Essen geplant?«
Ich versuche meine zusammengebissenen Zähne wieder auseinanderzubekommen, aber die Worte rutschen mir dazwischen durch. »Ich hatte vor, das Ganze in einem Restaurant zu veranstalten.«
»Ashley, ich habe dir doch gerade gesagt, dass es am Sonntag bei mir stattfindet. Dein Bruder heiratet in drei Wochen. Wir müssen für Mei Ling eine Brautparty geben. Sie können nichts dafür, dass die Gemeinderäume schon belegt sind.« Kevin und seine Eltern schauen schon nach mir, und ich komme langsam wieder näher und lächle dabei, als sei
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