LIEBES LEBEN
ihr noch nichts erzählt.
»Wann wirst du ihn wiedersehen?«
»Er hat erst nächsten Donnerstag wieder frei.«
»Wird er dich anrufen?«
In letzter Zeit nimmt mir Brea mit ihrer Art die ganze Freude. Woher soll ich wissen, ob er mich anrufen wird? Ist das nicht eine der ganz großen Fragen im Leben? Kommt gleich nach der Frage, wozu ich hier auf der Erde bin. Wer weiß schon, was einem Mann in Bezug auf Telefonanrufe durch den Kopf geht. In ihren Köpfen spielen sich ganze Debatten ab. Sonst würde es ja nicht bis Mittwoch nach der Verabredung dauern, um anzurufen.
»Ich weiß nicht, ob er mich anrufen wird«, sage ich mit schriller Stimme.
»John hat mich gleich am Tag nachdem ich ihn geküsst habe angerufen.«
»John ist auch etwas Außergewöhnliches, klar?« Breas Mann steht gerade auf den Stufen und schaut mal wieder liebevoll zu seiner Frau herüber. Das allein reicht schon, dass einem schlecht wird. Er stellt ihr nicht nach oder so. Er ist nur einfach absolut fasziniert von ihr, so wie normale Männer vom Fußball.
Sie dreht sich zu ihm und fährt sich mit der Zunge über die Zähne. »Ist er nicht zum Anbeißen?«
Ich verdrehe angewidert die Augen. Was soll man darauf antworten?
»Ashley?« Gott sei Dank dringt Seth in unsere Träumereien ein. Er kommt mit den Händen in den Hosentaschen an, lächelt, und ich bin schockiert, dass mein Magen sich immer noch überschlägt und seine Augen mich immer noch verführen. Mir wurde gerade der Hof gemacht von einem Mann mit Chirurgenhänden, und trotzdem schafft dieser Ingenieur mit den Händen in den Hosentaschen es, dass ich einen dicken Knoten im Hals habe. Das ist gar nicht lustig. »Kann ich dich einen Augenblick sprechen, Ashley?«
»Klar«, antworte ich, als bedeute er mir nichts. Aber mein Herz schlägt wie wild, und mein Magen macht Saltos. Ich kann ihn kaum noch im Zaum halten. »Brea, wir sehen uns heute Nachmittag bei meinen Eltern. Du bist tot, wenn du nicht kommst.«
»Ich komme. Meinst du, ich will es mir entgehen lassen zu sehen, wer um alles in der Welt Dave heiratet? Ich bitte dich. Das ist wie eine Einladung zu einer Vorführung mit Außerirdischen. Bis dann, Seth.« Brea drückt mir einen Kuss auf die Backe und verschwindet, um mit der nächsten Person, die sie auf der Treppe sieht, zu quasseln.
Seth schaut auf seine Schuhe, und ich würde ihn am liebsten packen und schütteln und anschreien, damit er mir verrät, was er jetzt denkt. Ich kann es kaum erwarten, bis er mit der Sprache herausrückt.
»Was gibt’s?«, frage ich schließlich.
Er sieht mich wieder mit diesem umwerfenden Blick an. »Du hast mich nicht angerufen, bevor du nach Taiwan geflogen bist.« Er sieht verletzt aus, und ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht wusste, dass er dazu in der Lage ist. Nur dieses winzige bisschen an Gefühlen gibt mir den Rest. Mich überkommt der Wunsch, ihn zu küssen - gleich hier auf der Treppe vor der Kirche! An wievielter Stelle steht das auf der Liste lüsterner Sünden? Habe ich vorgestern nicht erst jemand anderes geküsst? Habe ich nicht Brea gerade erzählt, dass es mir dabei die Zehennägel gekräuselt hat?
»Tut mir leid«, sage ich lächelnd. »Ich hatte so viel zu tun mit Patententwürfen, dann bin ich nach Taiwan geflogen, und gestern bin ich wieder arbeiten gegangen, und ich muss meiner Mutter helfen, die Brautparty für die Verlobte meines Bruders vorzubereiten. Ich bin einfach nicht dazu gekommen.«
Aber Seth scheint meinen Entschuldigungen gar nicht zuzuhören.
»Ich habe über das nachgedacht, was du mir an dem Tag bei Chevys gesagt hast.« Er hält inne und schaut sich um. »Weißt du noch, auf dem Parkplatz?«
»Ja, ich erinnere mich.« Das war unmittelbar bevor ich diesen tödlichen lila BH gekauft habe. Diesen Tag sollte man lieber aus dem Kalender streichen. Ausgenommen die Dr.-Kevin-Szene natürlich.
»Wir sind schon so lange befreundet, Ashley. Es würde mir niemals einfallen, dir wehzutun.«
Ich nicke. Was soll ich sagen? Er hat mich verletzt. Und er hat mich lächerlich gemacht. Und das macht mich am meisten wütend. Eigentlich müsste ich jetzt vor Freude hüpfen und ihm von Dr. Kevin erzählen, aber Seths Blick macht mich immer noch schwach. Er kann mich immer noch mit jedem seiner durchdringenden Ingenieursblicke durcheinanderbringen.
»Darf ich es wiedergutmachen?«, fragt er. »Ich glaube, ich bin dir eine richtige Verabredung schuldig.«
Eine Einladung als Entschuldigung? Ich denke nicht. »Du
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