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LIEBES LEBEN

LIEBES LEBEN

Titel: LIEBES LEBEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Billerbeck
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nicht. Das Telefon klingelt noch einmal.
    »Brea, tut mir leid ...«, antworte ich, ohne auf das Display zu schauen.
    »Ashley?«, fragt eine Stimme mit vertrautem Akzent.
    »Purvi?«, frage ich zurück, wohl wissend, dass es meine Chefin ist.
    »Ja, ich hatte gerade eben ein Telefonat mit Taiwan«, sie ist ganz sachlich. Das kann nichts Gutes heißen.
    »Es ist Sonntagabend, Purvi.« Das ist meine Art, ihr zu sagen, dass sie mal ein bisschen Privatleben braucht, aber ich habe da offensichtlich nichts zu sagen. Ich habe den Nachmittag auf einer weiteren Brautparty verbracht, die ich inzwischen schon professionell organisieren könnte. Und auf jeden Fall tausend Mal besser als meine Mutter.
    »In Taiwan ist es Montagmorgen«, entgegnet Purvi bestimmt, als hätte ich nicht selbst noch eine andere Zeitzone im Kopf. Ich weiß, wie viel Uhr es in Taiwan ist. Purvi redet immer noch, aber ich bin abgeschweift. Ich konzentriere mich wieder auf ihre Worte. »Sie werden unser Patentprodukt nicht mehr herstellen.«
    Ich schreie auf. Das habe ich gehört. Das ist ganz schlecht.
    »Keine Tantiemen?«
    »Die Tantiemen haben unsere Aktien in die Höhe getrieben, Ashley. Du musst sie zurückgewinnen. Unser Vertrag ist vollkommen nutzlos, wenn sie die Produkte für den amerikanischen Markt aufgeben.«
    Ich hasse dieses Gefühl in meinem Bauch. Es ist eine Mischung zwischen Sturzfahrt auf der Achterbahn und schlechtem chinesischem Essen, das in meinem Bauch rumort.
    »Soll ich es wagen zu fragen?« Ich umklammere das Telefon, bis meine Knöchel weiß sind.
    »Du musst so bald wie möglich noch einmal nach Taiwan.« Noch mal nach Taiwan. Hat je ein Mensch traurigere Worte gesprochen? Zurück zu Fischaugen, schwarzen Haaren und der exklusiven Aussicht auf das Betongebäude neben dem Betonhotel.
    »Wie bald?«
    »Kannst du morgen früh um sechs Uhr im Büro sein?« Purvi scheint verärgert zu sein, dass ich nicht jetzt sofort dort bin.
    »Ich werde da sein.« Ich habe ja auch sonst nichts zu tun. Dann kommen mir Breas Worte über meinen Egoismus wieder in den Sinn. Jeder Mensch ist bis zu einem gewissen Grad egoistisch, oder nicht?
    »Purvi, darf ich dich was Persönliches fragen?«, frage ich schnell, bevor sie auflegt. Sie seufzt. Das verletzt offensichtlich unsere roboterähnlichen Persönlichkeiten, aber ich fahre unbeirrt fort. »Glaubst du, dass ich egoistisch bin?«
    Sie lacht. »Alle Singles sind egoistisch. Wenn du es nicht wärst, wärst du verheiratet.«
    »Aha«, antworte ich schwach. Das war nicht die Antwort, die ich erhofft hatte. Ist es egoistisch, jegliche sozialen Kontakte aufzugeben, um bei jedem kleinsten Mucks nach Taiwan zu eilen? Ist es egoistisch, sechzehn Stunden am Tag zu arbeiten, obwohl ich weiß, dass ich in zwei Wochen keine Bleibe mehr haben werde? Wenn überhaupt, dann war ich extrem großzügig zu Purvi und Selectech. Sie besitzen mich. Ich lege auf. Egoistisch - so ein Quatsch!
    Singles sind der letzte Überrest politischer Unkorrektheit. Es ist vollkommen in Ordnung, unsere Fehler hervorzuheben und freizügig darüber zu philosophieren, weshalb wir alleine sind, wie eine Schaufensterpuppe im Modegeschäft. Ich habe mir das Drehbuch für mein Leben nicht selbst ausgedacht. Das hat Gott getan. Und er hat noch nichts von einer Hochzeit geschrieben. Vielleicht wird er das auch nie tun. Aber soll ich glauben, dass nur irgendein Mann mich ergänzen kann? Gott ergänzt mich. Purvi führt eine schlechte Ehe. Ihr Mann lebt in einem anderen Land, sonst wäre sie noch schlechter, und trotzdem will man mich glauben machen, dass sie ein erfülltes Leben lebt, während ich in meinem Leben etwas Wichtiges schmerzlich misse. Ja, natürlich . Das Telefon klingelt noch einmal.
    »Hallo!«, antworte ich scharf.
    »Tut mir leid«, sagt Brea.
    »Weißt du was, Brea? Hast du schon einmal daran gedacht, dass ich vielleicht nie heiraten werde? Vielleicht hat Gott noch etwas ganz Besonderes mit mir vor, und ich werde ein Patent für etwas so Unglaubliches schreiben, dass du es dir nicht einmal vorstellen kannst. Zum Beispiel für eine Maschine, die Krebs heilen kann«, sage ich und denke dabei an Dr. Kevin. »Vielleicht wird mein Leben die ganze Welt für immer verändern. Vielleicht ...«
    »Ich wollte doch nur, dass du dich mit mir über das Baby freust, Ash. Das hat absolut nichts mit dir zu tun. Wenn ich wirklich der Meinung wäre, dass du so eine Versagerin wärst, meinst du, du wärst dann seit über zwanzig Jahren meine

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