LIEBES LEBEN
beste Freundin? Ich muss ja wenigstens einen Anschein von Würde bewahren.«
»Ich kann einfach immer noch nicht glauben, dass du nicht zur Brautparty meines Bruders gekommen bist.« Oh Gott, ich versuche, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Jetzt bin ich wie meine Mutter. Ich sollte mir eine Schürze umbinden. Brea und ich schweigen beide einen Augenblick, und dann fangen wir an zu kichern.
»Vergibst du mir?«, fragt Brea schließlich lachend.
»Du weißt, dass ich dir vergebe. Purvi sagt übrigens auch, dass ich egoistisch bin. Dankeschön. Ich musste diese Arbeitsmaschine ja auch etwas Persönliches zu meinem Selbstwertgefühl fragen.«
»Ash, ich weiß gar nicht, wie man nicht egoistisch werden soll, wenn man die ganze Zeit in dieser Single-Gruppe ist. Vielleicht hattest du recht. Du musst da raus und vorwärtsgehen.«
Oh, welch tiefe Erkenntnis. Wie ich das hasse. Vielleicht bin ich nur deshalb ein ewiger Single, weil ich mit den ganzen anderen ewigen Singles zusammen bin. Ich werde nicht von meinem Traumprinzen entführt, weil ich ein vollwertiges Mitglied bei den Ewigkeitssingles bin. Uuuuh, höchste Zeit, das Thema zu wechseln.
»Ich muss schon wieder nach Taiwan. Der Aktienkurs unserer Firma hängt vom Ausgang dieser Sache ab.«
»Tatsächlich? Ash, das ist so cool.«
»Ja, klar.«
Ich höre ein Geräusch aus dem Schlafzimmer. Zunächst bringt es mich nicht aus der Fassung. Ich nehme an, dass ein Buch von dem Stapel, den ich lesen sollte, gefallen ist. All meine Romane stapeln sich, während ich meine Kenntnisse über Speichertechnologie auffrische und dieses umstrittene Patent unter die Lupe nehme.
Da, schon wieder. Es klingt wie ein Kind, das Cornflakes isst.
»Brea«, flüstere ich. »Ich glaube, hier ist jemand.«
»Was?«
»Ich glaube, es ist jemand in meiner Wohnung«, flüstere ich etwas lauter.
»Leg auf und ruf die Polizei.« Ich greife nach meinem Handy, bei dem natürlich der Akku leer ist, und renne barfuß zur Tür hinaus. Ich drücke die Taste auf meinem Handy und hoffe, dass es noch für einen Anruf reicht, aber es ist aus, und so renne ich hinunter zur Wohnung des Hausverwalters.
Mrs. Manger öffnet mir im Morgenmantel mit einem verführerischen Nachthemd darunter die Tür. Da sie etwa achtzig Jahre alt ist, ist es nicht der erbauliche Anblick, den ich jetzt brauche. Sie ist nicht gerade großmütterlich, aber ihre Haut ist aschfahl von einem Leben voller Zigaretten und Bier. Oh Mann, ich bin viel zu eitel, um jemals zu rauchen.
»Wollen Sie etwas, Ashley?«
»In meiner Wohnung ist jemand. Ich habe ein Geräusch aus meinem Schlafzimmer gehört.«
»Haben Sie die Polizei gerufen?«
»Nein, ich bin nur einfach rausgerannt. Kann ich von hier aus telefonieren?« Ich zittere am ganzen Körper. Das hier ist eines der besseren Wohnviertel in Palo Alto. Zugegeben, das Gebäude hier ist alt, aber das sind alle Wohnungen hier. Das ist der einzige Grund, weshalb man sich diese Wohnungen hier überhaupt leisten kann.
»Kommen Sie herein. Mr. Manger ist nicht da, sonst würde er mit nach oben gehen. Er muss heute Abend in einem anderen Mietshaus einen Wasserrohrbruch reparieren.«
Ich habe den Mann noch nie ohne Werkzeug in der Hand aus dem Haus gehen sehen. Er könnte sein Werkzeug wahrscheinlich auch als Waffe benutzen. Tolles Timing. Ich betrete die Wohnung, die schon seit Urzeiten von den Mangers bewohnt wird - oder zumindest scheint es so. Mrs. Manger verachtet mich, weil ich für alles stehe, was in dieser Gegend schiefläuft, und ich unterbreche ihren Fernsehabend. Mist, ich verpasse gerade selbst meine Lieblingssendung und muss morgen früh um sechs Uhr im Büro sein. Sie steht also ohnehin nicht gerade ganz oben auf meiner Liste von Freizeitaktivitäten.
Ich wähle die 911, die Notrufnummer. »911, Notrufzentrale.
Was haben Sie zu melden?«
»Ich glaube, in meiner Wohnung ist jemand«, flüstere ich. Als wäre ich noch in meiner Wohnung.
»Sie rufen aus der Channing Street Nr. 1100 an, Apartment A?«
»Ja, aber ich wohne in Apartment D.«
»Die Polizei ist schon unterwegs. Sind Sie allein? Wollen Sie, dass ich dranbleibe, bis die Polizei kommt?«
»Nein, ich bin in Sicherheit. Danke.« Ich lege auf. »Sie schicken sofort jemanden her.«
Mrs. Manger scheint nicht im Geringsten nervös zu sein. Sie setzt sich wieder vor den Fernseher.
Eine Werbepause kommt. »Haben Sie schon eine neue Wohnung?«, fragt Mrs. Manger.
»Nein, ich war sehr beschäftigt - ich hatte
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