Liebesbrand
er wußte, daß ich vermögend war, suchte er bei
jeder Begegnung meine Finger nach einem Siegelring ab. Er war dafür bekannt, daß er jeden Raum beheizte, der ihm gehörte,
denn die Menschen bekamen Durst und tranken mehr als üblich, die Getränkeeinnahmen überstiegen seine Heizkosten um ein Vielfaches.
Gabriel und ich schoben uns durch das Gewühl und konnten dann endlich in eine freigewordene Lücke am Tresen drängen. Auf einem
Regalbrett hinter dem Barkeeper waren leere Champagnerflaschen aufgereiht, ich las die Namen auf den Etiketten: Taittinger,
Veuve Clicquot, Charles Lafitte, Jacquart, Louis Roederer, Heidsieck & Co – es gab eine Zeit, da ich nichts las, aber viel
trank, und ich hatte mir eingeredet, daß ich mich jeden Abend auffüllen mußte, um am nächsten Morgen bestehen zu können.
Schlamm, sagte Gabriel, zum letzten und dritten Mal: Ich hätte bitte gern Schlamm.
Gibt’s nicht, sagte der Barkeeper.
Du kannst doch Cola mit Vanilleeis mischen, sagte Gabriel, das kann jeder.
Haben wir nicht, sagte der Barkeeper und wandte sich mir zu.
Einmal Kirschbanane mit ganzen Haselnüssen, sagte ich, Sie wissen schon, die Nüsse schwimmen im oberen Bananensegment.
Wenig später stellte er uns zwei Gläser Cola und ein hohes Wasserglas mit zerbrochenen Salzstangen hin, und es nützte auch
nichts, daß Gabriel ihn darauf hinwies, daß wir weder betrunken waren, noch betrunken aussahen.
Du hättest ihn nicht duzen dürfen, sagte ich.
|167| Blödsinn, sagte Gabriel, der Mann mag uns nicht. Wir haben Eintritt bezahlt, wir haben ein Getränk frei, wahrscheinlich ist
er von dem falschen Adligen angewiesen worden, so wenig Alkohol wie möglich auszuschenken.
Und? sagte ich, bist du jetzt glücklich.
Klarer Fall von Männerüberschuß, sagte Gabriel und ließ den Blick schweifen, mal sehen, ich habe kein schlechtes Gefühl.
Die Musik lief leise, schließlich war das eine Party für nicht mehr junge Männer und Frauen, und sie waren hierhergekommen,
um sich zu unterhalten, es wimmelte von zahmen Stachelrochen, die im bauchtiefen Wasser schwammen und auf Fischreste hofften,
und mein Blick fiel auf einen Mann, der aussah wie ein toter Delphin im Treibnetz, er sah gut aus und war gut angezogen, er
hatte es doch nicht nötig. Vielleicht hatte ihn das Glück verlassen, oder er mochte kleine überschaubare Abenteuer erleben,
das Gute hält seine Farbe bis zum Ende, dachte er bestimmt, so wie ich, ich war ein erlahmter Egoist der Extraklasse, damals
aber, noch in Brot und Lohn, ließ ich mir den Schweiß auf der Stirn von der Sekretärin abtupfen. Eine Frau mit Gretchenschnecken
ging vorbei, hielt im Schritt inne, drehte sich um und blickte auf Gabriel, der wiederum die grüne Wäscheklammer an ihrem
Revers anstarrte, und dann traf ihn die Lustwucht, anders konnte ich es nicht nennen, er streckte sich, er strich die Strähnen
aus der Stirn, er schob den rechten Fuß vor, ich war mir sicher, daß die Frau es genau mitbekam, und ob der Wucht der Lust
Gabriels verwandelte auch sie sich unmerklich, der Luststoß ließ sie ihre Kopfhaltung ändern, sie neigte ihn leicht zur Seite,
die Oberlider zogen sich hoch, sie und Gabriel waren keine dummen Fische mehr, sie waren Reptilien auf dem Land. Er vermied
einen Eingangsfehler |168| und gab ihr nicht die Hand, sie nickten einander zu, Gabriel vermied den zweiten Nachfolgefehler und bat sie nicht an den
Tresen, er ging mit ihr mit, sie übernahm die Führung von Anfang an, und als Gabriel auch nicht den Fehler machte, ihren Bannkreis
von einem halben Männerschritt zu durchbrechen, wußte ich, daß sich sein folgender Paarungsaufwand lohnen würde – sie würde
ihn mit nach Hause nehmen. Die grüne Klammer war ein Erkennungszeichen, sie hatten sich also verabredet, und es machte für
mich plötzlich Sinn, daß Gabriel ein Hemd im Zigeunerbaron-Rot angezogen hatte, diese Farbe war aus der Mode gekommen, er
fiel damit auf. Ich schaute mich um, es waren einige Frauen mit einem Figurproblem im Saal, doppelt so viele Männer versuchten
ihren Bauch mit übergroßen Hemden über der Hose zu kaschieren. Ich bestellte einen Kirschsaft, den ich diesmal bekam.
Hallo, sagte eine Frau neben mir, ich hatte in die andere Richtung geschaut, und als ich sie anschaute, sah sie nervös weg,
sie wollte nicht, daß ich auf das mittelgroße Schönheitsmal über ihrer Oberlippe aufmerksam wurde.
Hallo, sagte ich.
Es hört sich blöd an, aber
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