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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Ex-Freund.
    Was?
    Die beiden sind auseinander, er bekniet sie und bettelt um einen Neuanfang. Sie weiß nicht so recht, was sie will, also legt
     sie es auf ein Experiment an: Sie lacht sich einen Nachfolger an, jedenfalls tut sie so, als wäre sie an einem neuen Mann
     interessiert. Dieser Mann soll aber nur saubermachen. Er soll für den Ex das sichtbare Symbol dafür sein, daß es vorbei ist.
     Wenn der Ex sie zurückerobern möchte, muß er über die Leiche des Neuen gehen. Sie schaut sich den Hahnenkampf an, und am Ende
     verliebt sie sich in einen dritten Mann.
    Das hast du alles in der kurzen Zeit begriffen? sagte ich.
    Nein, sagte Gabriel und blieb eine Weile stumm.
    Es ist also nur eine Vermutung.
    Richtig, sagte er.
    Und was hast du dem Kerl ins Ohr geflüstert?
    Ich habe ihm erzählt, daß ich mich für Frauen nicht interessiere.
    Nein!
    Doch.
    |172| Du siehst nicht sehr schwul aus, sagte ich.
    Das kann man heute nicht sicher wissen, sagte Gabriel.
    Was glaubst du, was die beiden jetzt tun?
    Ist mir egal. Ich bin nur sauer, weil sie mir den schönen Abend verhagelt haben.
    Du hast dich geputzt und ein frisches Hemd angezogen, sagte ich lächelnd.
    Und ich werde ganz sicher nicht nach Hause gehen und schlechte Laune kriegen. Wir fahren dahin, wo die Unterdreißiger sind.
    Die Alten bestaunen die Jugend, dachte ich, wir würden uns wieder an nichtalkoholischen Getränken festhalten und aus Angst
     vor Entgleisungen einen Punkt über den Köpfen der tanzenden jungen Meute anstieren, in den Augen der Zwanzigjährigen ist jeder
     Mann über dreißig tot oder müßte eigentlich auf Krücken gehen, wir würden sie in diesem Glauben bestärken, denn wir wären
     erstaunt, wir wären über unsere aufkeimende Lust, ohne Aufschub und Angabe besonderer Gründe verrückt zu spielen, peinlich
     berührt, und trotzige Enddreißiger, die wir waren, würden wir unseren Blick senken und die in Maßen enthemmten jungen Frauen
     ansehen, erst flüchtig, dann mit großem Interesse, und weil wir Meister darin waren, sinnlose Versuche und lieblose Ausgänge
     zu durchleben, würden wir uns fragen, wer es uns verböte, eine junge Frau als Freundin zu haben. Doch waren es nicht fast
     ausnahmslos lächerliche alte Männer mit Geld, denen man nicht verzieh, weil sie sich auf Studentinnen einließen, nein falsch,
     weil sich Studentinnen auf sie einließen? Die Alten waren reich, sie waren erfahren, und ihre Erfahrung nützte ihnen gar nichts,
     sie hatten über die Hälfte ihres Lebens hinter sich und wollten nicht länger als Prospektständer der Weisheit angesehen |173| werden. Reine Gefühle. Ein gerührtes Herz. Es drang nicht zu ihnen durch, zu den Spöttern, sie sahen in den Männern nur schröpfende
     Herren, denen man das Maul verlöten sollte. Ich war achtunddreißig Jahre alt, und ich mußte mir mit Daumen und Zeigefinger
     einige wildwachsende Augenbrauenhaare rupfen, vor dem Spiegel, alle paar Wochen, ich war achtunddreißig und konnte den kleinen
     Bauch beim Sitzen nicht mehr einziehen; ich strich mir Falten in den Pullover über dem Bauch, denn dann konnte ich mir weismachen,
     daß nicht das Fleisch, sondern der Stoff an meinem Makel schuld war.
    Die Tropfenbahnen an der Windschutzscheibe schlierten zur Seite, Gabriel schaltete die Scheibenwischer auf höchste Frequenz,
     und etwas später stiegen wir aus dem Auto und hinab in den großen Keller eines ehemaligen Kulturzentrums, das man auf die
     Bedürfnisse der neuen unverbrauchten Generation umgestellt hatte. Wir stellten uns an den Bartresen, bestellten und zahlten
     und nahmen unsere großen Wassergläser mit in eine Nische im Halbdunkel, wir hatten den Tisch ganz für uns allein, hier an
     diesem Ort stand oder tanzte jeder, der was auf sich hielt. Ich nahm einen großen Schluck und einen weiteren, ich lehnte den
     Kopf an die speckige Nackenrolle, und es gefiel mir, nur zu schauen und keine Hoffnungen zu hegen, ich hoffte nur, daß ich
     für alle, die sich die Mühe machten, mich wahrzunehmen, bloß ein neutraler Wassertrinker war, ein Mann im zerknitterten Anzug,
     ein Mann, der hier nur sein Feierabendwasser trank. Sie tanzten. Sie stießen Schreie aus. Sie amüsierten sich.
    Wir fallen nicht sonderlich auf, sagte Gabriel.
    Das ist schön, sagte ich.
    Ich sehe keine bekannten Gesichter.
    Ich kenne die Frau am Tresen.
    |174| Sie hat ein einnehmendes Wesen, sagte Gabriel, hattet ihr was miteinander?
    Nein, sie liebt Frauen.
    Wirklich wahr?
    Natürlich, sagte

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