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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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ich.
    Die Musik gefällt mir, sagte Gabriel, ich könnte glatt dazu tanzen.
    Tu’s doch.
    Dann würde ich auffallen. Und du würdest dich wegen mir schämen.
    Du hast ein schönes Hemd an, sagte ich, ich bin stolz auf dich.
    Wieso tanzt du eigentlich nie? sagte Gabriel.
    Männer sollten nicht tanzen, sagte ich, ich meine, solche Männer wie ich. Außerdem habe ich einmal einen Kurs für Standardtänze
     belegt.
    Und, hat es geholfen?
    Ich tat es wegen meiner damaligen Freundin.
    Ich tanze zwar selten, sagte Gabriel, aber ich tanze. Bereut habe ich es bisher nicht.
    Du schüttelst deinen Kopf und schlackerst mit den Armen. Das ist kein Tanz.
    Ach ja?
    Du schüttelst dich öffentlich, sagte ich, und trampelst auf der Stelle.
    Ach, sagte er und noch einmal: Ach.
    Etwas Neues hatte angefangen, was tat ich hier, was tat ich, was war ich und was gab ich vor zu sein, was war mit mir los,
     wieso tat ich nichts, weshalb verwarf ich es, was sollte dieses Spiel, dieses verdammte Spiel, war ich abgeklärt, ich war
     nicht abgeklärt, und ich schlief in den letzten Tagen mit jeder Frau, die mich wollte, was war los, wieso, verdammt noch mal,
     tat ich es, ich liebte sie nicht, diese netten Frauen, die Erbarmen mit mir hatten, was war ich, ein mieser kleiner Geschäftemacher |175| , wieso machte ich Liebe wie Geschäfte, was tat ich, worin versank ich, dieses Leben, nichts als mein Leben um mich herum,
     und es war ein Wall, was waren das für kleine Schritte, die ich machte, falschfalschfalsch, alles ging in die falsche Richtung,
     ich war das nicht, dieser miese kleine Mann im Anzug und mit einem großen Wasserglas in der Hand, was dachte ich da, was nutzte
     es mir, was brachte es mir ein, zu denken: über die Alten, über die Viertel der Ängstlichen, was war los, ich saß und machte
     Scherze, nichtsnichtsnichts, einen Dreck tat ich, ich war Dreck, und diese Musik, und die Verliebten, und ich nichts weiter
     als der Abgestürzte, der im Spiegel verschwand, wie ging das weiter, immer weiter, Tag für Tag, nichts als schlechtes Essen,
     nichts als Luft und Luft und Luft, wenn ich nach jemandem greife, ich feiger feiger Hund, nichts als miese schlechte Luft,
     und ich: einsneunundsiebzig Meter Luft, was tat ich hier, was starrte ich fremde Männer fremde Frauen an, was schlief ich
     schlecht, weshalb schwitzte ich im Schlaf, ein Herz, ein verdammtes dummes Herz, es schlägt und schlägt und schlägt und
    Ich liebte sie.
    Schluß.

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    Plötzlich fing es an zu hageln in der fremden Stadt, die Körner fielen in schrägen Strichen vom Himmel und prasselten auf die Wagendächer, auf die Regenschirme,
     auf die barhäuptigen Männer, die es satt hatten, sich vor leeren Rängen ans Herz zu fassen, und nun zeigten sie, daß man sie
     nicht beherrschen konnte, die Eiskörner trafen sie hart, ihre Gesichter schwollen an, es dauerte nicht mehr als ein paar Minuten,
     und als die Sonne von den Wolken freigegeben wurde, traten die Fußgänger aus ihren Unterständen hinaus auf den Bürgersteig.
     Eine schöne Frau nach der anderen ging einfach weg, zurück blieben die kleinen Helden, sie holten ein Herrentuch aus der Hosentasche,
     bückten sich umständlich, klaubten die schmelzenden Eisklumpen vom Pflaster, zerrieben sie und preßten das nasse Tuch auf
     die schmerzenden Stellen. Und dann schaute ich hoch, im zweiten und dritten Stock der Häuser mit dem neuen Anstrich spielten
     die Menschen Fenstertheater. Sie kämmen sich, sie putzen das Silberbesteck, sie sitzen neben ihrem Nähkästchen und treiben
     die Nadel blind in den Stoff, und immer wieder geht ihr Blick nach draußen, nach unten auf das aushäusige Leben, dachte ich,
     und dort oben bespie ein Kind aus dem Erkerfenster einen angeleinten Hund, der das Scherengitter vor dem blinden Schaufenster
     anbellte, er sprang aus dem Stand hoch, kläffte in der Luft und fiel wie gestaucht auf seine vier Pfoten, der Knoten, mit
     dem die Leine an der Ampelstange gewickelt war, löste sich, und der Hund flitzte |177| die Straße herunter. Ich wandte mich zu der Tschechin neben mir und wies mit dem Finger auf ein Schild, das auf dem Küchenfensterbrett
     einer ebenerdigen Wohnung stand, das Email war an den Kanten zersprungen, und die langen Wörter zierten Zeichen und Tupfer.
    Sie schaute kurz und konzentriert hin und sagte: Laut Bahnordnung ist es untersagt, Schaustellungen zu veranstalten oder trotz
     des Einspruchs eines anderen zu musizieren … Ich glaube, die

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