Liebesbrand
Kruste
verhärteten Weinstein in ihrem Glas, und sie begann davon zu erzählen, daß sie mich schon längst entdeckt hatte, lange bevor
ich sie vor der Philosophischen Fakultät abpaßte, sie hatte mich gesehen in Gesellschaft einer aparten Tschechin, und ihr
erster Eindruck wäre gewesen, daß es sich bei uns beiden um ein Liebespaar handeln mußte, wir hielten nicht Händchen und küßten
uns nicht auf offener Straße, aber hier, hatte sie gedacht, sind ein Mann und eine Frau, die miteinander vertraut sind, sie
mögen sich, sie brauchen sich, vor allem brauchen sie einen kleinen Schubs, einige wenige Stunden, und sie lieben sich im
Bett. Es belustigte sie, daß ich in meinem Liebesleben eine Hauptperson und mindestens eine Nebenperson ›installierte‹, bei
diesem Wort zuckte ich zusammen, ich verstand mich nicht als Klempner, sie ahnte meine Widerworte, deshalb machte sie eine
besänftigende Geste, und ich fühlte in mir eine Scham aufsteigen, die Scham darüber, mit einer anderen Frau |250| gesehen worden zu sein, die Scham über meine Dummheit. Was sollte ich machen? Ich beginge einen Verrat, beteuerte ich ihr,
daß eben sie die Hauptfrau war, und diese Nebenfrau, die mich durch die Stadt führte, konnte ihren Platz nicht besetzen, und
doch, ich verriet Jarmila, ich beteuerte Tyra meine Gefühle, ich sagte ihr, daß allein sie mich betörte, all diese altmodischen,
furchtbar nichtsnützigen Liebesschwüre, meine Scham, mein Verrat.
Willst du ein Lump sein? sagte Tyra.
Nein, sagte ich.
Wieso führst du dich dann wie ein Lump auf?
Verdammt, Tyra, rief ich, verdammt verdammt verdammt. Ich sitze hier an diesem Tisch, ich muß mich benehmen. Ich kann das
nicht.
Wie ist sie? sagte Tyra.
Sie ist keine Nebenfrau, gab ich zu, sie ist sehr nett.
Ach Gott!
Sie ist ein feiner Mensch.
Hör auf, sagte Tyra, du hast kein Herz.
Doch, hab’ ich, sagte ich, ich kann nicht vor einer Frau eine andere Frau loben.
Wer sagt denn, daß du sie loben sollst? Wie heißt sie?
Ist nicht wichtig.
Wie heißt sie? wiederholte sie.
Sie heißt … es wäre nicht richtig, wenn ich ihren Namen verraten würde.
Das gefällt mir, sagte sie, du hast vielleicht doch ein Herz.
Du prüfst mich, stellte ich fest.
Natürlich, sagte sie, ich muß schließlich genau wissen, mit wem ich ins Bett gehe. Aber ich werde es nicht tun, nicht heute
nacht und nicht morgen nacht. Übermorgen? Weiß ich nicht. Du bist kein Mann, dem |251| ich vertraue, auch das ist nicht besonders wichtig. Du versuchst, das Beste herauszuschlagen, sogar hier auf fremdem Boden.
Eine Charakterschwäche. Wenn mich ein Mann liebt, auf die Weise, wie du es tust, ein Mann, der mir gefällt, würde ich ihn
zum Henker jagen. Ich war mir sicher, daß du mir nicht gefällst. Was ich an dir mag? Du bist ein böser Geist in der Flasche.
Ziehe ich den Stöpsel raus oder nicht? Ich werde darüber nachdenken … Ich habe eine Bitte.
Ja? sagte ich.
Halt’ dich an dein Versprechen, und komm’ mir nicht zu nahe.
Gut, sagte ich, wie du willst.
Hast du übermorgen etwas vor?
Ich werde mir den Tag freihalten, sagte ich.
Ich verspreche nichts, sagte sie, aber es kann sein, daß ich dich anrufe. Es kann aber auch etwas völlig Banales dazwischenkommen,
wie Kopfschmerzen oder Müdigkeit.
Kein Kuß zum Abschied, keine Umarmung. Sie berührte mich nur leicht mit dem Handrücken an der Stirn, und ich blieb sitzen,
ich war etwas verlegen und etwas froh, etwas ratlos und etwas leichten Herzens.
Ich bemerkte ein paar Tische weiter die Mätresse des alten Malers, dessen Krawatte zwei goldene Klammern zierten, ihm fiel,
da er die Baguettescheibe mit Knoblauchrahm bestreichen wollte, das Messer aus der Hand und auf den Boden. Er beugte sich,
hob das Messer auf, hielt es vor seine Augen, zupfte das Einstecktuch aus der Brusttasche und wischte vorsichtig die Seiten
des Messers, und dann starrte er mich plötzlich an. Kommen Sie her, junger Mann, rief er mir zu, seine Mätresse wandte sich
um und starrte mich an, ich folgte seiner Einladung, setzte mich an ihren Tisch auf den freien |252| Stuhl. Wir stellten uns einander vor, währenddessen füllte der Maler mein Wasserglas.
Sie kennen mich? sagte er.
Eine Freundin von mir, sie ist Tschechin, hat mir von Ihnen erzählt, sagte ich.
Ich male nur die Bilder, die sich verkaufen lassen, sagte er mit Blick auf seine Mätresse.
Woher können Sie so gut Deutsch sprechen? sagte ich.
Wir haben uns
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