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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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gleichermaßen substanziell und flüchtig war und das Lachen von längst vergangenen und noch zukünftigen Sommern heraufbeschwor.
    Ihrem Mann Freddy gegenüber – einem erfolgreichen Musikmoderator, der im Radio Plattensammlern Ratschläge gab und wegen der Leichtigkeit, mit der er sein Wissen zu verbrämen verstand, und seiner frenetischen Gestik gelegentlich auch im Fernsehen auftrat, einem Mann, der gewandt Small Talk machte und sein Essen zerfetzte, bevor er es in den Mund steckte – verhielt sie sich auf zerstreute Weise nachsichtig, fegte ihm gelegentlich Krümel vom Schoß oder wischte ihm Sahne vom Mund ab, aber immer mit dem Handrücken und ohne ihn dabei anzusehen, wie eine Mutter, die sich um zu viele Kinder kümmern muss. Von mir, dem Buchhändler ihres Mannes, nahm sie scheinbar keine Notiz, was immer ihre Reaktion auf meine dargebotene Hand (als sei es an ihr, sie zu schütteln oder abzuschlagen) versprochen hatte … Mich hob sie sich für später auf.
    Ob sie sich zu der heimlichen Verabredung mit mir einige Monate später tatsächlich nur erkühnte, weil sie ein Geburtstagsgeschenk für ihren Mann kaufen wollte, Berlioz’ Instrumentationslehre, in der schönsten Ausgabe, die ich auftreiben könne, oder ob sie mich einfach nur wiedersehen wollte, habe ich sie nie gefragt, auch nicht als wir längst verheiratet waren. Wir sollten viele Vertraulichkeiten austauschen, die nach den üblichen ehelichen Maßstäben obszön waren, und es ist wahr, ich habe sie Befragungen unterzogen, für die ich nach Ansicht vieler ewig in der Hölle schmoren müsste, aber wir waren nie auf obszöne Weise übergriffig. Besser gesagt, sie war es, die mich davon abhielt, wenn Übergriffigkeit die für eine erfolgreiche Bindung nötige Verschwiegenheit gefährdet hätte.
    Ich missgönnte Freddy den Berlioz, egal aus welchem Motiv Marisa das Buch für ihren Mann gekauft hatte. Nicht das Geschenk an sich, sondern die Umstände der Übergabe – die Tatsache, dass sie sich den Kopf darüber zerbrach, was ihm gefallen könnte; ihre Dreistigkeit, mich deswegen um Rat zu fragen; ihre Bereitschaft, jeden Preis zu zahlen, und ihre Absicht, ihm das Buch in seinem Lieblingsrestaurant in Rom zu überreichen, wozu sie heimlich alle ihre engsten Freunde einfliegen wollte. Eine Frau mit ausgeprägtem Sinn für eheliche Zeremonien, eine Frau, die es gut mit ihrem Mann meinte, die sich seinen Leidenschaften anpasste, die um sein Glück besorgt war, selbst wenn sie mit einem Auge nach einem anderen Mann schielte. Eine Frau mit Prinzipien, würde ich sagen, und angezogen haben mich immer nur Frauen mit Prinzipien.
    *
    Im Vergleich Mann gegen Mann gab es, von seiner bescheidenen Medienberühmtheit abgesehen, zwischen Marisas damaligem Gatten und mir keine großen Unterschiede, die ihr die Entscheidung erleichtert hätten. Ich hatte mehr Geld, er hatte eine überzeugendere Präsenz; ich sah besser aus, er war kräftiger gebaut; aber keiner von uns beiden war ein Lord Byron. Den Ausschlag für mich gab vermutlich meine Gesprächsbereitschaft. Ich sagte bereits, dass Freddy ein gewandter Unterhalter war, aber bei solchen Gesprächspartnern stehen die Frauen häufig auf einsamem Posten. Marisa wollte sich unterhalten, nicht nur zuhören müssen. Und bei mir fand sie das Gespräch, das sie suchte – dramatisch, voller Beobachtungen und auf den Augenblick abgestimmt, das vergnügliche Gespräch, das, wichtiger noch, auf Vergnügen aus war; das Gespräch, das sich vom Reden und vom Hinhören nährte. In dieser Hinsicht, sagt man mir nach, sei ich wie eine Frau, wobei ich gestehen muss, dass ich nicht recht weiß, was das heißen soll. Ozeanisch vielleicht. Nicht streng strukturiert. Amniotisch. Ich fing gerne zu reden an, ohne zu wissen, wohin es mich führte; ich ließ mich gerne vom Gesprächsfluss leiten; wollte einer Frau, die das Glück hatte, sich mit mir einzulassen, keine Predigt halten, so wie Freddy, noch sie in ihrem eigenen Redefluss unterbrechen, nur weil ich vielleicht Dringenderes vorhatte, so wie Freddy. Ich entwickelte mich zu einem angenehmen, mehr noch, einem stets verfügbaren Gefährten. An den Tagen, an denen wir uns nicht verabredet hatten, konnte Marisa mich jederzeit anrufen und bitten, sie zu einer Vernissage zu begleiten, ins Theater, zu einem Konzert oder

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