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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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brav ins Bett.«
    Ja, wo wäre ich denn dann geblieben?

Einmal sah ich sie zusammen mit einem Liebhaber.
    Ich hatte sie nicht verfolgt, das war gar nicht nötig. Berichte über Marisas verwerfliche Hingabe an andere erreichten mich auch so. Bekannte machten Andeutungen. Ich las ihr Tagebuch; gut möglich, dass es ihre Absicht war, dass ich es las. Briefe, die sie herumliegen ließ, öffnete ich; und vermutlich sollte ich auch dazu verleitet werden, denn Marisa war kein Mensch, der ohne Vorsatz handelte. Ebenso öffnete ich Briefe, die nicht einfach so herumlagen, denn Marisa versteckte Dinge ebenfalls mit Vorsatz. Und ich sah keinen Grund, warum ich Nachrichten für sie auf dem Anrufbeantworter nicht abhören sollte. Dass ich keinen handfesten Beweis für eine Affäre fand, bewies erst mal gar nichts. Sie wollte, dass ich keinen für eine Affäre fand – als unanfechtbaren Beweis, dass sie doch eine hatte. Ihr auf diese Weise nachzuspionieren, ihre Schlupfwinkel auf Papier zu betreten, das war zu unserem Liebesspiel geworden. Aber es wäre mir niemals in den Sinn gekommen, sie regelrecht zu verfolgen. Es war eine Ehrensache für mich, Marisa für ihre Heimlichkeiten den größtmöglichen geografischen Spielraum zu lassen; wenn das ganz London umfasste, würde ich eben nie aus dem Haus gehen.
    Dennoch, Unfälle passieren. Dieses Zusammentreffen – denn es ging weit über bloßes Sehen hinaus – war rein zufällig; Schicksal oder Katastrophe, je nachdem wie man es sieht. Aber es verlief nicht ohne eine gewisse Verlegenheit aufseiten aller Beteiligten, vor allem meiner Sekretärin Dulcie, mit der ich zusammen in einem Restaurant zu Mittag aß, als Marisa und ihr unbekannter Freund hereinkamen, nicht gerade mit demonstrativer Vertrautheit, doch auch nicht so, als hätten sie etwas rein Geschäftliches zu besprechen.
    Ich war ebenfalls nicht aus rein geschäftlichen Gründen hier. Es war kein Restaurant für Geschäftsessen. Hier kam man her, um gesehen zu werden. Hier machte man seinen Auftritt. Hier wurde man beinahe mit Beifall bedacht, wenn man zu seinem Tisch geleitet wurde. Selten schaffte man es bis zu seinem Platz ohne Begrüßungsküsschen hier und da, was auch Marisa nicht erspart blieb.
    Â»Felix«, sagte sie. »Miles.«
    Â»Guten Tag, Miles«, sagte ich. »Miles, das ist Dulcie.«
    Sie gaben sich die Hand, als würden sie einander kennen, und als wäre es ihnen peinlich.
    Marisa kannte Dulcie natürlich, die seit Jahren als Sekretärin für mich arbeitete. Sie wäre also niemals auf die Idee gekommen, es könnte sich etwas Ungebührliches dahinter verbergen, dass ich sie zum Mittagessen ausführte. Dulcie ging gerne in dieses Restaurant, aber hätte niemals ohne mich hier einen Tisch reservieren können. Ab und zu lud ich sie deswegen hierher ein, manchmal auch, wenn sie persönliche Probleme hatte, die sie sich von der Seele reden musste, so wie heute. Auch das war Marisa bekannt.
    Dulcie jedoch wusste nicht, warum Marisa mit Miles aufkreuzte. Sie wurde rot, nicht nur wegen Miles, wie ich vermutete, sondern auch, weil sie sich sagen hörte: »Guten Tag, Mrs Quinn«, als ahnte sie, dass es zu Komplikationen führen könnte, wenn sie Marisa in Gegenwart von Miles, der besitzergreifend neben ihr stand, mit Mrs Soundso anredete. Urteilte sie allein nach dem Äußeren der beiden?, fragte ich mich. Waren die beiden so deutlich als Paar zu erkennen? Oder waren Marisas Seitensprünge allgemein bekannt, selbst meinen Angestellten? Wusste alle Welt Bescheid?
    Wenn ich darauf mit »hoffentlich« antworte, dann möchte ich es so verstanden wissen, dass ich mich davor fürchtete und es aus ebendiesem Grund hoffte.
    Aus seinem knappen »Gut’n Tag« schloss ich, dass Miles irischer Millionär sein musste, vermutlich ein Pferdezüchter. Er hatte gute Manieren und war zu gut gekleidet, so wie manche Iren, die gerne wie Absolventen amerikanischer Eliteuniversitäten auftreten, der Anzug teurer als nötig, die rosa Krawatte stramm um den schmalen Hals gebunden und die Doppelmanschette beim Handausstrecken gut sichtbar aus dem Jackettärmel ragend. Seine Finger, die zu betrachten ich für den Bruchteil einer Sekunde vor dem Handschlag innehielt, sahen aus wie versteinert und verbrüht. Nicht ein einziger Keim hatte sich auf seinen Körper verirrt.

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