Liebeserwachen in Virgin River
Anhand eines Fotos, das ihm als Vorlage diente und auf dem sie im Alter von zehn bis achtzehn Jahren zu sehen waren, hatte er einmal die fünf Riordan-Brüder in Öl porträtiert und das Gemälde seiner Mutter geschenkt. In dem Haus, das ihm vor zehn Jahren gehörte, hatte er eine ganze Wand mit einem Gemälde bedeckt, das einen Black Hawk darstellte. Als er es verkaufte, hatte der neue Besitzer ihm geschworen, es immer an dieser Wand zu belassen. Doch all das hatte Colin bloß zum Vergnügen getan, und auch in der Zeit seiner Genesung nach dem Unfall, in der er allerlei Therapien machen musste, hatte er viel gezeichnet und gemalt, denn Gesellschaftstanz oder Squash hätten für seine Rehabilitation mit Sicherheit keine Alternative dargestellt.
Infolge der schweren Verletzungen hatte Colin eine Abhängigkeit von Oxycodon entwickelt. Diese Abhängigkeit hatte schließlich zu seiner Verhaftung geführt, weil er es von einem Arzt gekauft hatte, der illegal damit handelte. Die Verhaftung hatte ihn in eine Suchttherapie geführt, die wiederum eine Depression zur Folge hatte, was wiederum … Alles zusammengenommen hatte er insgesamt sechs Monate in der einen oder anderen Einrichtung zugebracht, sodass er inzwischen seit einigen Monaten Öl-, Aquarell- und Acrylfarben benutzte. Das Malen war eins der wenigen Dinge aus seiner Vergangenheit, die ihm geblieben waren, und es gehörte zu seiner Therapie. Es beruhigte ihn so, dass er entspannt seinen Gedanken freien Lauf lassen konnte, anstatt durchzudrehen. Sämtliche Obstschalen und Landschaften, die er ertragen konnte, hatte er bereits gemalt, doch es waren Wildtiere, die seine schöpferische Kreativität weckten.
Er war schon fast beängstigend gut für einen Mann, der keine professionelle Ausbildung hatte. Zuerst hatte er ein paar der besten Werke, die er im Genre Wildlife Art finden konnte, kopiert; dann hatte er seine eigenen Motive durch die Linse einer Kamera entdeckt.
Seit der Highschool hatte er nur einmal professionellen Unterricht erhalten, und das war in der Psychiatrie. Nach dem Krankenhaus hatte er eine Physiotherapie gemacht, dann eine Drogentherapie und anschließend die Therapie wegen seiner Depression. Und in dieser dritten Einrichtung gab es einen klugen Therapeuten, der ihm einen seriösen Kunstlehrer empfohlen hatte, weil das Malen für Colins Genesung von entscheidender Bedeutung war.
Dieser Kunstlehrer hatte ihm gesagt: „Das Schwierigste ist immer, einem Maler beizubringen, in seinem Werk Gefühle zu zeigen, und Sie tun das von Natur aus.“
„Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich habe keine Gefühle mehr“, hatte Colin darauf erwidert.
Nachdem er dem für ihn zuständigen Arzt davon erzählt hatte, wurde beschlossen, die Antidepressiva langsam zu reduzieren und schließlich ganz abzusetzen, während er an zusätzlichen Stunden in der Gruppentherapie teilnehmen sollte. Als Colin von der Idee hörte, fragte er: „Können Sie mich nicht lieber gleich erschießen?“
Aber trotz Colins Abneigung gegen diese Stunden gefühlsduseliger Gruppenumarmungen hatte es funktioniert. Offensichtlich war er so weit gewesen, ohne Antidepressiva leben zu können. Heute war er froh darüber; endlich waren seine Sinne nicht länger von irgendwelchen Medikamenten getrübt.
Er hatte nie auch nur erwogen, die Kunst zu seinem Beruf zu machen. Warum auch? Er liebte sein schnelles, spannungsreiches Leben; er war Black-Hawk-Pilot, für den Kampfeinsatz ausgebildet, und dem entsprechend lebte er intensiv. Er fuhr zu schnell mit seinem Sportwagen, feierte gelegentlich etwas zu ausschweifend, spielte Amateur-Rugby, hatte zu viele Frauen und zog viel zu oft in den Krieg. Und auf einmal war das alles über ihm zusammengebrochen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Indem er langsam lernte, die Stücke seines Lebens wieder zu ordnen, gewann er seine Kunst zurück, und die Kunst entfaltete nach und nach ihre Wirkung und rief Gefühle in ihm wach, die er über lange Zeit ignorierte.
Nach vielen langen Monaten war er endlich entlassen worden und wollte sich nun um seine weitere Genesung und seine Kunst selbst kümmern. Er besaß eine gute Digitalkamera mit einem speziellen Zoomobjektiv, denn es war kaum davon auszugehen, dass ihm ein wildes Tier Modell sitzen würde. Aber er konnte die Tiere in der Natur aufspüren, ein paar Fotos schießen und anschließend danach arbeiten.
Auch wenn er es sich selbst nie eingestehen würde – Colin freute sich darauf, sich wirklich in
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