Liebeserwachen in Virgin River
keine allzu abschreckende Wirkung auf sie habe.“ Achselzuckend bückte er sich und sammelte seine Palette und den Pinsel von der Erde ein.
„Erstaunlich, ich habe noch nichts von Ihnen gehört, das nach einer Entschuldigung klang!“, entgegnete sie irritiert.
Sie war richtig sauer, und aus einem unerfindlichen Grund musste er über sie lachen. Er gab sich zwar Mühe, es bei einem leichten Lächeln zu belassen, fragte sich jedoch, wieso sie ihn so amüsierte. Schließlich verbeugte er sich leicht, allein schon, um sein Grinsen zu verbergen. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen einen solchen Schrecken eingejagt habe. Und entschuldigen Sie bitte auch, dass ich mich von Ihnen habe erschrecken lassen. Aber es bestand keine Gefahr für Sie. Ich würde nie auf etwas schießen, das ich nicht ganz genau identifizieren kann.“
„Ein sehr lahmer Versuch“, stellte sie fest. „Was tun Sie hier eigentlich?“
Nun, er stand vor einer Staffelei und hielt Palette und Pinsel in der Hand. „Tierpräparation?“, antwortete er mit einem Anflug des für ihn so typischen Sarkasmus.
Sie erhob sich und wischte sich die Hände an der schmutzigen Jogginghose ab. „Witzig“, schleuderte sie ihm entgegen. „Sehr witzig. Ich meine, auf meinem Grundstück ?“
„Oh, das gehört Ihnen? Der Weg war nicht gesperrt und nirgendwo waren Schilder angebracht. Das Licht gefällt mir hier. Mein Haus befindet sich tief im Wald, sodass es in meiner Unterkunft ziemlich dunkel ist. Dort habe ich nur künstliches Licht. Falls es ein Problem für Sie ist, suche ich mir einen anderen Platz …“
„Aber wie sind Sie denn hierhergekommen? Wo ist der Zugang? Weil das nämlich … ich wollte sagen, ich bin nicht die Eigentümerin, doch ich habe das Haus da hinten gemietet.“ Sie wies über die Schulter, auf den oberen Teil eines großen viktorianischen Hauses, der über den Baumgipfeln zu erkennen war. „Abgesehen davon, dass man ein paar Bäume schlagen könnte, ist es mir nicht gelungen herauszukriegen, wie man sonst auf diese freie Fläche hier hinten gelangen kann. Ich habe Sie oben vom Witwen-Ausguck erspäht, aber die Wiese ist anscheinend nicht direkt zu erreichen.“
„Trotzdem sind Sie jetzt hier.“ Lächelnd fügte er hinzu: „Und geben sich für einen Bären aus.“
Sie rieb sich über die Wangen, womit sie lediglich den Schmutz von ihren Händen in ihrem Gesicht verteilte. Doch Colin nahm sie nun genauer unter die Lupe und entdeckte Dinge, die ihm entgangen waren, während sie aus den Büschen gestürzt war und sich gleich flach auf den Boden geworfen hatte. Unter anderem fiel ihm eine sehr aufregende weibliche Figur, schlank und sexy, mit Kurven an den richtigen Stellen, und dann eine Menge kastanienbraunes Haar, das aus der Cap gerutscht war und ihr um den Kopf wehte, auf. Sie hatte volle rote Lippen und eine Haut wie Elfenbein mit ein paar Sommersprossen auf der Nase, und diese Augen waren erstaunlich groß, tief liegend und umrahmt von dichten Wimpern. Plötzlich empfand er das Bedürfnis, diesen Mund zu schmecken, diesen klugen, frechen Mund.
„Das war nicht einfach“, erklärte sie. „Ich habe mich durch diese Bäume und Büsche geschlagen, weil ich Sie fragen wollte, wie Sie es mit Ihrem ganzen Zeug hierher geschafft haben.“ Sie präsentierte ihm ihre Handfläche und deutete auf das Blut darin hin. „Verstehen Sie, die letzte Besitzerin hat die Bäume und Büsche zwischen ihrem Garten und dieser Lichtung wachsen lassen, und ich würde gern mit Gartengeräten herkommen, konnte allerdings nicht erkennen, wie …“
Er betrachtete ihre Handfläche und musterte sie von oben bis unten. „Sind Sie tatsächlich so schmutzig geworden, als Sie sich hierher durchgeschlagen haben?“
„Was? Oh!“ Sie lachte. „Nein, ich habe im Garten gearbeitet. Ich meine, eine Farm bestellt. Das kann man wirklich nicht mehr gärtnern nennen, was ich da tue. Ich bin ein bisschen durchgedreht. Schauen Sie, die Pflanzen sprießen jetzt schon aus der Erde. Ich habe mich online mal über die Pflanz- und Aussaatzeiten informiert, und wenn ich mich beeile, kann ich noch was anbauen. Doch vor April muss ich alle meine Samen und Stecklinge in der Erde haben, und selbst dann hinke ich noch ein wenig hinterher. Gemüsesamen werden eigentlich Anfang März ausgesät; die Tomaten sollten auch längst ausgesetzt sein. Bis auf die Kürbisse und Melonen … für die ist noch Zeit. Und dann hatte ich auch schon mit Vögeln Ärger, mit Rehen und
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