Liebesfilmriss
nicht glauben, dass das passiert ist. Aber es ist passiert. Und du bist meine beste Freundin. Ich wollte dir um nichts in der Welt weh tun, aber ich hatte noch nie zuvor für einen Menschen solche Gefühle … Ich habe Perry getroffen und es war einfach …na ja, wie ein Erdbeben oder so. Wenn ich es hätte aufhalten können, ich hätte es getan, aber ich konnte einfach nicht …« Sie schwieg abrupt, voller Schwindelgefühle, gedemütigt, die Fäuste qualvoll geballt. Sie zwang sich, Ginnys Blick zu erwidern, und flüsterte hilflos: »Es tut mir so unendlich leid.«
Ginny hatte das Gefühl, einen Film anzuschauen, einen Film mit einer Wendung, die sie nicht erwartet hatte, die Art von Wendung, die einem den Atem raubt und einem die Frage aufdrängt, was als Nächstes geschehen wird. Carlas Gesicht war totenbleich, völlig verspannt. Sie hatte alles gesagt, was sie sich vorgenommen hatte. Sie war wie eine Fremde oder eine Figur aus
Doctor Who
, die sich das Gesicht vom Kopf zieht und den darunter liegenden Roboterschädel freilegt. Denn eines war sicher, das war nicht länger die Carla, die Ginny gekannt und geliebt hatte und der sie die letzten fünfzehn Jahre vertraut hatte.
»Du wolltest mir um nichts in der Welt weh tun?« Insgeheim staunte Ginny, dass sie noch sprechen konnte. »Ich bin deine beste Freundin?« Ihre Stimme wurde lauter. »Tja, wie faszinierend. Wenn du deine beste Freundin so behandelst, möchte ich nicht wissen, was du deinen Feinden antust.«
Carla zuckte zusammen. »Es tut mir leid.«
»Hörst du wohl auf,
es tut mir leid
zu sagen? Das bedeutet doch nichts! Wenn es dir wirklich leid täte, hättest du dich nie und nimmer hinter meinem Rücken mit Perry getroffen! Du hättest ›danke, aber nein danke‹ gesagt, wie jede normale Freundin, und wärest deiner Wege gegangen. Man nennt das Loyalität.« Ginny schüttelte angewidert den Kopf.
»Ich weiß, und das wollte ich auch tun. Glaube mir. Aber ich konnte es nicht. Ich liebe ihn«, flehte Carla. »Und er liebt mich. Manchmal passiert das einfach.« Noch während sie das sagte, hörten sie, wie draußen ein Sportwagen mit quietschenden Reifen zum Stehen kam. Eine Wagentür wurde zugeschlagen und Schritte kamen über den Weg gelaufen. Es klingelte an der Tür.
»Dein Traumprinz, nehme ich an. Kommt zur Rettung geeilt. Wie süß.« Ginnys Herz hämmerte gegen ihre Rippen. »Wie meisterlich. Vermutlich hast du mit ihm geschlafen?«
»Natürlich habe ich mit ihm geschlafen.« Carla ging zur Tür. »Das tun normale Paare nun einmal.«
Das Messer wurde in Ginnys Bauch herumgedreht. Mit einem schmerzlichen Stich wurde ihr klar, dass Carla recht hatte. All das sogenannte Gentleman-Verhalten, von wegen es langsam angehen lassen und sie erst richtig kennenlernen, war keine Romantik gewesen. Es war nur … Bockmist gewesen.
Und da war er, der Bockmistkerl höchstpersönlich, kam in die makellose Küche gelaufen, mit wildem Blick und ungekämmten Haaren.
Plötzlich sah er gar nicht mehr so unwiderstehlich aus.
Was unter den Umständen ganz praktisch war.
»Es tut mir leid, Ginny. Es tut mir ja so leid.«
O bitte, nicht diese Nummer schon wieder.
»Du bist ein wunderbarer Mensch«, fuhr Perry fort. »Und ich wollte dir um nichts in der Welt weh tun …«
Das auch noch.
»Langsam öden mich die Wiederholungen an«, sagte Ginny.
»Aber ich schwöre bei Gott, so etwas hätte ich nie und immer erwartet. Keiner von uns. Aber … es ist nun einmal so gekommen.« Perrys Arme fielen schlaff zur Seite, signalisierten Niederlage. »Es war ein … ein
coup de foudre
.«
»Aha.« Ginny stellte sich vor, wie sie die schwere Glasobstschale in die Hand nahm und sie ihm an den Kopf warf.
»Das heißt
Liebe auf den ersten Blick
«, fügte Perry hinzu.
Gönnerhafter Mistkerl. Er hielt sie offenbar für leichtgläubig
und
minderbemittelt.
»Genauer gesagt, heißt es etwas anderes«, klärte Ginny ihn auf. »Es heißt
vom Blitz getroffen
.« Vom Blitz getroffen, von einer schweren Obstschale getroffen, es war ihr egal.
»Wie auch immer, wir lieben uns. Du solltest es nicht auf diese Weise erfahren, aber …«
»So wie es aussieht, wäre es dir am liebsten gewesen, wenn ich es gar nicht erfahren hätte.« Ginny ließ vorübergehend Carla außen vor und konzentrierte all ihre Aufmerksamkeit auf Perry. »Wie lange läuft das schon?«
»Seit der Nacht im Carson. Wir konnten nicht anders. Ein Blick und die Sache war gelaufen. Wir wussten es
Weitere Kostenlose Bücher