Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesfluch

Liebesfluch

Titel: Liebesfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
Vom Netzwerk:
Gedanken kommen müssen.
    »Ich hab’s mir anders überlegt, Bennie, wir gehen spazieren, da gibt es für dich auch viel mehr zu sehen als hier im Haus«, sage ich mit fröhlich bestimmter Stimme. »Wir erkunden den Ort, was meinst du?«
    Ich finde, er sieht begeistert aus, also mache ich mich auf die Suche nach dem Kinderwagen und entdecke ihn in der Doppelgarage, am Ende der Einfahrt.
    Nachdem ich Bennie gewickelt und mit Sonnencreme eingeschmiert habe – Anja soll schließlich nicht glauben, ich wäre nicht in der Lage, mich ordentlich um die Kleinen zu kümmern! –, packe ich eine Tasche mit Ersatzwindeln, einem Tee-Fläschchen und Reiswaffeln. Es dauert eine halbe Ewigkeit, ehe ich mich durch die Schubladen und Schränke in der Küche gewühlt habe. Es ist unglaublich, alles ist voller Gläschen, Dosen und Tüten; überall kleben Zettel von Babynahrung darauf. Und ich dachte immer, es reiche, Brei vorrätig zu haben … Anja scheint aus ihrer Ernährung eine Wissenschaft zu machen. Aber irgendwie kann ich sie verstehen, sie will eben nur das Beste für die beiden.
    Ich laufe mit Bennie auf dem Arm in die Garage und setze ihn in einen der mit Lammfell gepolsterten Sitze des Zwillingskinderwagens. Nachdem ich die Tasche verstaut habe, spanne ich den Sonnenschirm auf, denn die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel und die Luft ist schon total warm, obwohl es erst Anfang Juni ist. Grandma hat behauptet, der Sommer in Deutschland wäre nur kurz und es würde erst im Juli richtig heiß.
    Und gerade als ich losgehen und die Tür hinter mir zuziehen will, wird mir klar, dass ich gar keinen Schlüssel habe. Also gehe ich noch einmal zurück ins Haus, aber das Schlüsselbrett neben der Tür ist leer. Ich könnte ja meine Tür einfach offen lassen, überlege ich. Schließlich steht das Haus am Ende der Welt, wer sollte hier schon einbrechen? Und dann auch noch am helllichten Tag!
    Ich verriegle also alle Türen außer meiner, die ziehe ich zwar zu, lasse sie aber unverschlossen, dann brechen wir endlich auf.
    Bennie gefällt es nicht, dass ich ihn angeschnallt habe, und er stemmt sich gefährlich weit aus dem Kinderwagen. Aber nach einigen Minuten gibt er auf.
    Zum Glück gibt es neben der Straße einen Fußweg, der nach Weitersheim hinüberführt. Ab und zu bleibe ich stehen und zeige Bennie ein dandelion, keine Ahnung, wie das auf Deutsch heißt. So eine gelbe Wiesenblume, die er sich sofort in den Mund stopft, aber ich glaube nicht, dass ihm das schaden wird. Sicher bin ich mir allerdings nicht. Mann, das hier ist wirklich was anderes als die Kurse, die ich in Vegas hatte! Vorsichtshalber nehme ich Bennie die Blume doch wieder ab.
    Wir nähern uns nun langsam dem Dorf und ich frage mich, ob ich jetzt das Gleiche vor mir sehe wie Grannie in den sechziger Jahren oder ob sich viel verändert hat. Sie hat gedacht, ich schaffe es nicht, auch nur in der Nähe des Ortes eine Au-pair-Stelle zu kriegen, aber da hat sie sich getäuscht. Es war sogar sehr einfach, weil man bei der Agentur angeben konnte, wohin man wollte – und kein Mensch wollte in den vorderen Odenwald! Ich hätte sogar auch noch eine andere Stelle kriegen können, in Seebick. Das ist ein Ort in der Nähe, allerdings noch ein Stück weiter in den Odenwald hinein. Aber so war das natürlich der absolute Glückstreffer!
    Ich habe nun das Dorf erreicht und vor mir liegt eine lange Straße; an einer Kreuzung ist ein Geschäft mit Zeitungen und Kinderspielzeug, dann kommen eine Metzgerei und eine Bäckerei. Alle drei Gebäude haben unten einen Sockel aus braun melierten glänzenden Fliesen und weiter oben graubeiges Mauerwerk. Das wirkt sogar im Sonnenlicht und unter dem strahlend blauen Himmel ziemlich trostlos. Das Haus mit der Bäckerei steht zurückgesetzt von der Straße, hat einen sehr großen Vorgarten mit abgezirkelten Blumenbeeten und einer prächtigen sattgrünen Rasenfläche, in deren Mitte hoch oben auf einer dicken Säule ein großes rundes Häuschen steht. Es sieht aus wie ein überdimensionales Puppenhaus mit vielen bunt verzierten geschnitzten Türen und Törchen. Schade, dass es so hoch oben ist, Bennie würde es bestimmt liebend gerne untersuchen.
    Ich beschließe, erst mal eine Zeitung zu kaufen. Bennie ist überglücklich, als ich ihn aus dem Wagen nehme und mit ihm in das Geschäft gehe.
    Drinnen ist es im ersten Moment so dunkel, dass meine Augen ein paar Minuten brauchen, um etwas erkennen zu können. An den Wänden sind Holzregale, in

Weitere Kostenlose Bücher