Liebesfluch
gefällt und ich sie damit beim Wickeln oder Füttern gut ablenken kann. Mia mag am liebsten den Engelanhänger, der aus einer Perle gefertigt ist, während Bennie von dem Seepferdchen mit den Rubinaugen fasziniert ist.
»Es tut mir leid, Blue«, sagte Grannie dann schließlich noch, »ich wollte es dir zuerst nicht sagen, weil ich dich nicht beunruhigen wollte. Aber nach allem, was du erzählt hast, denke ich, es ist besser, wenn du auf der Hut bist. Ich … nun, ich habe Tarotkarten gezogen für den Ort, an dem du bist.«
Ich konnte hören, wie Grannie am Telefon tief ein- und ausatmete. »Den Teufel, den Tod und die drei Schwerter.«
Ich konnte nicht verhindern, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken lief. Teufel und Tod allein waren schon schlimm genug, aber die drei Schwerter sind auch nicht besser. Auf dieser Karte durchbohren drei Schwerter ein Herz.
»Machst du Witze, Grannie?«, habe ich sie gefragt.
»Nein, deshalb will ich ja, dass du gut auf dich und vor allem auf die Kinder aufpasst. Lass sie nicht aus den Augen. Versprich mir das.« Sie räusperte sich und meinte: »Natürlich kann das auch nur ein Zufall sein, vielleicht hat es nichts zu bedeuten …« Leider klang sie nicht sehr überzeugend. »Such dir Freunde, Blue. Es ist nicht gut, dass du so viel allein bist.«
Und genau das habe ich heute vor – mir Freunde zu suchen. Nachdem Ju nicht wieder aufgetaucht ist, werde ich mit Felix anfangen – obwohl ich nicht weiß, ob das so eine gute Idee ist. Ich war zwar jeden Tag in der Bäckerei, um einzukaufen, und es war auch nett mit Felix, weil er mit mir flirtet. Natürlich immer erst, nachdem seine Großmutter demonstrativ den Laden verlassen hat! Aber dabei habe ich immer an Ju denken müssen. Er geistert ständig durch meinen Kopf, obwohl ich immer noch stinksauer auf ihn bin. Und sogar in den Momenten, in denen ich in Felix’ grüne Augen lache, muss ich an Jus verschmitztes Grinsen denken.
Aber es gibt noch einen anderen Grund, weshalb ich mir nicht sicher bin, ob ich Felix wirklich sehen will. Gestern kam er mit raus aus dem Laden und hat mich dann, nachdem ich das Brot im Netz des Kinderwagens verstaut hatte, mitten auf den Mund geküsst. Einfach so! Ohne Vorwarnung und mit ziemlichem Druck. Gerade als ich mich beschweren wollte, hat er mir verraten, dass Georg Hikisch sein Großonkel war und dass er sich gern mit mir länger darüber unterhalten würde, aber nur, wenn seine Oma außer Reichweite sei.
Ich war total perplex – erst der Kuss, der fast wie ein Angriff war, und dann sein Angebot. Ich habe den ganzen Rückweg überlegt, ob ich etwas falsch gemacht und ihn, ohne es zu merken, dazu ermutigt habe, mich zu küssen. Oder ob es hier irgendwelche Regeln gibt, nach denen ich ihm das erlaubt habe …
Mir entfährt ein lauter Seufzer. Es ist einfach das Allerletzte, dass das Internet immer noch nicht funktioniert. Ich muss unbedingt hören, was Vicky zu alldem sagt, und ich muss meinen freien Tag nutzen, um endlich herauszufinden, ob Stefan wirklich ein Mörder ist. In diesem Moment beschließe ich, dass ich heute doch Felix treffen werde. Erstens hat er Internet und zweitens kann er mir mit Georg weiterhelfen.
Mein erster freier Tag wird auch der erste Tag für mich sein, an dem alle Zeltners zu Hause sind.
Als ich nach oben komme, sitzt die Familie draußen auf dem Holzdeck und frühstückt. Die Zwillinge in Hochstühlchen, Stefan neben Anja. Für mich ist kein Teller gedeckt.
»Oh, Blue, schön, dass du kommst«, sagt Anja leise, als hätte sie keine Kraft zum Sprechen. »Wir dachten, dass du an deinem freien Tag vielleicht lieber ausschlafen willst.« Dann dreht sie den Kopf ihrem Mann zu. Sie sagt nur: »Stefan!«, und zeigt auf den Tisch und dann nach drinnen, woraufhin er sich sofort erhebt und ein Gedeck für mich holt.
Anja sieht erschöpft aus. Ihr Haar ist fettig und strähnig, ihre Wangen wirken eingefallen und ihre zarte Hand, die gerade die Kaffeetasse zum Mund führt, zittert so stark, dass der Kaffee überschwappt.
Ich setze mich zu ihnen, Stefan gießt mir Kaffee ein und reicht mir den Brotkorb. Ich nehme ein Brötchen und betrachte dann Bennie, der blass aussieht und stumm dasitzt. Nur seine braunen Augen schauen sich neugierig um.
»Wie geht es ihm?«, frage ich, während ich mir eine Brötchenhälfte mit Käse belege.
Anja seufzt. »Ich habe einen Termin in der Uniklinik in Frankfurt. Die Ärzte haben den Verdacht, dass Bennie eine seltene
Weitere Kostenlose Bücher