Liebesfluch
was jetzt das Richtige ist!
Auf jeden Fall muss ich es irgendwie schaffen, ständig in ihrer Nähe zu bleiben – und trotzdem muss ich versuchen, mich dabei unsichtbar zu machen. Ich darf nicht auffallen.
Gestern hat sie es auch gespürt. Ich muss einfach besser werden, lernen, meine Tarnkappe noch besser zu tragen.
Und ich muss auch herausfinden, was er im Schilde führt. Ich weiß immer noch nicht, welche Rolle er in alldem spielt. Einen Moment lang hatte ich überlegt, ob er derjenige sein könnte, der mir helfen kann. Aber er lügt – wie könnte ich da ausgerechnet ihm vertrauen?
11.
Es gab da jemanden, den ich vollkommen ausgeblendet hatte, und das ist das schlimmste Unrecht, das ich begangen habe – neben dem, was ich dir angetan habe.
Es kommt mir nicht so vor, als ob ich erst fünf Tage hier bin, sondern schon eine Ewigkeit. Es ist jeden Tag wärmer geworden, aber es ist eine komische Hitze, nicht so trocken wie in Vegas, sondern die Luft ist klebrig, schwül.
Heute ist Sonntag, rein theoretisch mein freier Tag. Erst gestern ist Anja mit Bennie aus dem Krankenhaus zurückgekommen. Sie war zu müde, um mir zu erzählen, warum sie so lange dort bleiben mussten. Ich bin gespannt, was die Ärzte herausgefunden haben.
Während Anja weg war, bin ich mit Mia allein gewesen. Wirklich allein, denn Stefan war entweder bei der Arbeit oder im Krankenhaus – das hat er mir jedenfalls erzählt. Aber als Anja einmal angerufen hat, hat sie nach ihm gefragt und ich war vollkommen perplex, weil ich dachte, er wäre bei ihr.
Trotzdem war es ganz okay für mich, zwei Tage mit der Kleinen allein zu sein. Niemand hat mich herumkommandiert und Mia und ich konnten uns richtig gut kennenlernen. Jetzt weiß ich, dass sie es gern hat, wenn man sie am Bauch kitzelt, dass sie Birnenkompott am liebsten kiloweise verdrücken würde, und sie kann es kaum erwarten, endlich laufen zu können. Sie übt jeden Tag verbissen. Ich finde es unglaublich, wie oft hintereinander sie hinfällt und bester Laune wieder aufsteht.
Obwohl es mit Mia so gut geklappt hat, hatte ich während der zwei Tage ständig ein komisches Gefühl; es war, als hätte ich ein permanentes Piepsen im Ohr – nur dass ich nicht genau wusste, was mir dieses lästige Gefühl sagen wollte. Mehrmals am Tag hat es mich zum Laptop getrieben, weil ich endlich mehr über die Zeitungsartikel herausfinden wollte. Aber das Internet hat die ganze Zeit über nicht funktioniert. Schließlich habe ich es nicht mehr ausgehalten und Grannie angerufen.
Doch als ich dann ihre warme, vom jahrelangen Rauchen heiser gewordene Stimme gehört habe, konnte ich es nicht übers Herz bringen, ihr von dem Zeitungsartikel zu erzählen, weil sie sich schreckliche Sorgen um mich gemacht hätte.
Trotzdem hat Grannie genau gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt, und hat nicht locker gelassen hat, bis ich ihr dann erzählt habe, dass es mir ständig so vorkommt, als wäre noch jemand im Haus. Jemand, dessen Anwesenheit ich spüren, den ich aber nicht sehen kann. Sie hat mich nicht ausgelacht, sondern gefragt, ob schon mal wer in dem Haus gestorben ist – was mich nicht gerade beruhigt hat. Um das zu überspielen, habe ich einen Witz gemacht.
»Glaubst du jetzt an Geister?«, habe ich sie gefragt.
Doch statt herzhaft zu lachen, hat sie davon geredet, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gäbe, als wir uns vorstellen könnten.
Und deshalb habe ich ihr dann noch von dem verschwundenen Kinderfoto mit dem Trauerrahmen erzählt.
Grannie hat versucht, mich zu beruhigen; wahrscheinlich hätten Anja oder Stefan es einfach beiseitegestellt. Aber schließlich hat sie mich gefragt, ob ich nicht doch zurück nach Hause kommen wolle.
»Nein«, hab ich darauf gesagt, »so schlimm ist es auch wieder nicht. Und außerdem komme ich erst, wenn ich Georgs Geheimnis gelüftet habe.«
Da hat sie gestöhnt und gemeint, das sei überhaupt die blödeste Idee von allen gewesen. Die Vergangenheit wäre nun mal vorbei; sich deshalb ein Jahr in diesem Kaff zu begraben, das würde ich ganz sicher noch bereuen.
»Du glaubst, ich werde es bereuen, weil es hier spukt?«, habe ich sie gefragt und hatte erwartet, dass sie nun endlich lachen würde. Aber sie blieb ernst. »Natürlich nicht! Aber Blue, versprich mir, dass du mein Armband immer anbehältst. Ich weiß, dass es dich beschützen wird.«
Ich trage das Armband wirklich dauernd, nicht nur, weil ich es liebe, sondern auch, weil den Kindern das Klimpern
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