Liebesfluch
Stoffwechselkrankheit hat. Wenn sich das bewahrheitet, dann muss ich auch Mia hinbringen, denn diese Krankheit ist genetisch bedingt.«
»Oh, das sind aber keine guten Neuigkeiten, das tut mir leid. Und wie geht es dir?«
Sie ringt sich ein Lächeln ab. »Es geht schon.«
Stefan nimmt ihre Hand und führt sie zum Mund, wo er einen Kuss daraufhaucht. »Mein armer Liebling. Wir stehen das gemeinsam durch. Aber heute ruhst du dich erst einmal schön aus, ja?«
Anja betrachtet ihren Mann mit einem schiefen Lächeln. »Wenn du öfter in die Klinik gekommen wärst, dann wäre es auch einfacher für mich gewesen.«
»Diese Untersuchungen werden nicht alle von der Kasse bezahlt, das weißt du. Da muss ich eben mehr arbeiten.«
Anja verdreht die Augen und schaut demonstrativ zu den Zwillingen. »Hab ich nicht schon genug gelitten mit unseren Kindern? Kann ich denn niemals auf deine Unterstützung zählen?«
Stefan tätschelt ihre Hand. »Doch, mein Liebes, doch, ich werde mich bessern.« Er zwinkert mir beim Reden zu, als wären wir Komplizen.
Wie kann er nur so etwas machen? Seine Frau leidet und er zwinkert mir zu, als wäre das alles bloß ein Witz. Plötzlich habe ich keinen Hunger mehr, sondern will nur noch hier raus.
»Wäre es okay, wenn ich mir heute die Gegend anschaue?«, frage ich.
»Es ist dein freier Tag«, sagt Anja, doch es klingt sehr gequält, »das steht dir zu. Ich werde das schon irgendwie schaffen.«
»Anja, entspann dich! Ich bin heute zu Hause, du kannst dich erst mal schlafen legen. Ich werde nachher das Planschbecken aufblasen und mit den Kindern ein wenig herumplanschen.«
»Bist du wahnsinnig? Die Zwillinge haben vielleicht eine ernste Krankheit und dir fällt nichts Besseres ein, als sie der Sonne und dem kalten Wasser auszusetzen …« Anjas Stimme kippt und sie fängt leise an zu schluchzen. »Das nennst du also dich kümmern?« Aus ihrem Augenwinkel rollt eine Träne über ihre eingefallenen Wangen.
Stefan nimmt seine Serviette und tupft Anjas Träne damit ab. Sie dreht sich weg, aber er ignoriert das, als wäre sie nur ein störrisches Kind.
»Blue«, sagt er unbekümmert, »das soll aber jetzt deine Sorge nicht sein. Wenn du willst, kannst du mein Mountainbike benutzen, es steht in der Garage. Du kannst aber auch mein Auto nehmen, das werde ich heute nicht brauchen.«
»Dann nehme ich das Bike, es ist so schönes Wetter.« Ich stehe auf und kann es kaum erwarten, diesem Haus endlich mal für ein paar Stunden zu entfliehen. Ich hole aus meinem Zimmer den Brief von Georg, für den Fall, dass mir Felix wirklich weiterhelfen kann, und schnappe mir mein Käppi und die Sonnenbrille. Dann stecke ich meinen Geldbeutel in den Rucksack, nehme in der Küche noch eine Flasche Wasser mit und stürme schließlich in die Garage, um mir das Rad zu holen.
Verdammt! Es hat einen Platten.
Widerwillig gehe ich zurück zur Terrasse, wo die Zeltners noch immer frühstücken, und sage Stefan, dass sein Rad einen platten Reifen hat.
»Oh – ja, dann nimm doch einfach das Auto, es ist vollgetankt. Ich kümmere mich später um das Bike. Die Schlüssel hängen am Schlüsselbord.«
Ich habe zwar keine Lust, bei dem Wetter mit dem Auto unterwegs zu sein, aber so kann ich wenigstens weit wegfahren und einfach mal ein paar Stunden abschalten. Ich wünsche den beiden einen schönen Sonntag und beeile mich dann, wieder in die Garage zu gelangen.
Auf dem Weg dorthin kommt mir eine Idee. Ich könnte Felix ja anbieten, eine Spritztour durch den Odenwald zu machen – als Gegenleistung dafür, dass ich sein Internet benutzen darf. So könnte ich vermeiden, dass wir allzu lange in seinem Zimmer herumsitzen – oder würde ihn die Autofahrt erst recht dazu ermutigen, wieder so einen merkwürdigen Kussangriff zu starten?
Das Auto, ein silberfarbener Audi Kombi, hat zum Glück eine Automatikschaltung, wie ich sie gewöhnt bin, und liegt sicher auf der Straße wie ein Panzer. Es macht richtig Spaß, die Kurven voll auszufahren.
Die Bäckerei hat heute zu, deshalb klingle ich an der Haustür von Felix’ Oma und hoffe inständig, dass sie nicht zu Hause ist. Es passiert gar nichts. Ich traue mich nicht, noch einmal zu klingeln, und gehe wieder zum Auto.
»Blue!« Felix kommt mit hochrotem Kopf aus dem Haus gerannt, gerade als ich einsteigen will. »Hey, Blue, ich war eben noch unter der Dusche. Ist ja nett, dass du kommst. Ich dachte schon, du wärst wegen dem Kuss sauer auf mich. Tut mir leid, echt.«
Aus
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