Liebesgruesse aus Deutschland
sondern auf politisch korrekte Art, als wäre die Frau ihr Vorgesetzter. Sie reden über Fußball, Kino und die Mehrwertsteuer.
Die Kunst der übertreibenden reizenden Komplimente hat den Sprung in diese emanzipierte Welt nicht geschafft, da halten sich die deutschen Männer zurück. Die Einzigen hier, die sich solche Umgangsformen bei Frauen erlauben, sind Männer aus sogenannten orientalischen Kulturkreisen. In ihnen ist immer Platz für durchgeknallte Komplimente aller Art, und selbst die jungen Männer beherrschen noch die alte Kunst, eine Frau mit einem Spruch zum Schmelzen zu bringen. Wenn sie verliebt sind, strotzen sie vor Komplimenten, obwohl man bei diesen Männern nie sicher sein kann, ob sie tatsächlich verliebt sind oder nur so tun. Das, was sie den Frauen sagen, ist lächerlich und eine Lüge noch dazu, es klingt, als ob einer versuchen würde, die Geschichten aus 1001 Nacht in einem Satz zusammenzufassen:
»Du hast so süße Augen – hat dein Vater eine Zuckerfabrik ?«
Jeder normale Mensch würde sich schämen, so etwas auch nur anzudeuten. Eine Zuckerfabrik! Was für eine billige,
beleidigende Anmache! Das Traurige ist: Sie funktioniert. Die Klugen, die Schönen und die Selbstbewussten schmelzen dahin, wenn sie auf orientalische Art angebaggert werden. Auch wenn sie es nicht gleich zeigen, gefällt es ihnen, einmal als Zuckerfabrikprodukt angesprochen zu werden. Nicht selten habe ich bei uns in der Disko gesehen, wie eine solche emanzipierte und hochgebildete Zuckerfabrik mit einem gegelten BMW-Hirten im Arm die Tanzfläche verließ.
Merkwürdigerweise taugt diese orientalische Anmache nicht zur Nachahmung. Als ein Freund, ein Angehöriger des russischen Kulturkreises, einmal etwas Ähnliches versuchte – »Du hast einen süßen Hintern – hat dein Vater einen Hinternbetrieb?« –, bekam er sofort eine übergebraten, noch bevor er dazu kam, die Qualitäten der väterlichen Produktion besser zu beschreiben. Frauen sind unergründlich. Sie wissen selbst nicht, was sie wollen.
Meine Landsleute drehen gerne durch, wenn sie verliebt sind. Sie geben ihr ganzes Geld für Blumen aus und schmeißen sie der Frau vor die Füße. Oder sie streiten mit ihr, betrinken sich sinnlos, drohen mit Selbstmord und versuchen auch sonst mit allen Mitteln, die Aufmerksamkeit der Frau auf sich zu lenken – aber ohne Komplimente. Ein Freund von mir hat neulich alle exotischen Fischchen aus dem Aquarium seiner Freundin vor ihren Augen roh aufgegessen, um ihr zu zeigen, wie irre ihn ihre Gleichgültigkeit gemacht hat. Sie meinte dazu nur: »Du hast zu viele Filme geguckt.« Dies ist ein Beispiel dafür, welch ungeheure Macht die Frauen in Russland über ihre
Macho-Männer besitzen. Sie können sie abfüttern, womit sie wollen, sie drehen und wenden nach Belieben. Warum das so ist, weiß ich nicht.
Münster
Es regnete in Münster, als ich ankam. Aber auch schon vor meiner Ankunft regnete es dort, und es hat auch nach meiner Abreise nicht aufgehört zu regnen. Gelegentlich schaue ich im Internet auf www.wetter.de , wie die Lage in Münster jetzt ist: Es regnet dort noch immer.
»Ja, das hier ist nicht Marokko«, bestätigte mir der Taxifahrer, ein Marokkaner, der aus familiären Gründen Münsteraner geworden war.
»Ist Münster eigentlich eine lebenswerte Stadt?«, fragte ich ihn.
Er lachte. »Warum fragen Sie? Haben Sie über diese Medaille gelesen?«
»Nein, welche Medaille? Ich weiß von nichts«, entgegnete ich.
»Münster hat eine Medaille, eine Auszeichnung bekommen für das, was Sie gesagt haben«, lachte der Taxifahrer.
»Als lebenswerte Stadt?«, hakte ich nach.
»Genau! Niemand hier versteht das!«
»Sie meinen, die Bewohner bemerken die Lebenswürdigkeit ihrer Stadt nicht?«
»Ja, die bemerken nur die Touristen«, klärte mich der Taxifahrer auf. »Auch Sie haben sofort zu Münster dieses Wort gesagt, dieses Wort«, zwinkerte mir mein Gegenüber zu, der wahrscheinlich ein Gelöbnis abgelegt hatte, niemals das Wort »lebenswert« in der Öffentlichkeit auszusprechen.
Ich hatte dieses Wort gesagt, weil es hier seit zwei Tagen ununterbrochen regnete. Ein solches Wetter kann jeden zur Verzweiflung bringen.
»Ich wusste nicht, dass Münster die lebenswerteste Stadt Deutschlands ist«, erklärte ich ihm.
»Nein, nicht Deutschlands, der ganzen Welt!«, erzählte der Taxifahrer lachend.
Wir fuhren zur Schwimmhalle. Nach zwei Tagen im Regen dachte ich, wenn es sowieso überall nass ist, dann kann ich
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