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Liebesgruesse aus Deutschland

Liebesgruesse aus Deutschland

Titel: Liebesgruesse aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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Fernsehen. Und preiswert ist das Land auch noch, das Benzin kostet dort nur sechzig Cent pro Liter. In zehn Wochen haben wir bloß tausendfünfhundert Euro zum Leben gebraucht. Ich dachte, hier wäre schon Frühling, wenn wir zurückkommen, aber wir waren viel zu früh wieder da. Kaum in Münster, war ich schon wieder reif für den nächsten Urlaub. Ich würde am liebsten sofort wieder nach Marokko fahren, aber es geht nicht. Meine Freundin hat keinen Job, und irgendjemand muss ja das Geld verdienen«, erklärte mir der Fahrer.
    Am nächsten Tag saß ich im Zug nach Berlin, beobachtete die Regentropfen am Fenster und dachte, dass die Menschen eigentlich nirgends glücklich werden können. Auf jeden Fall nicht dort, wo sie gerade sind. Sie reisen hin und her, sammeln ihre »Erfahrungen«, »Erlebnisse«
und ihre Kritik an der Weltordnung, aber richtig glücklich sind sie wahrscheinlich nur unterwegs. Münster ist mir auf jeden Fall als verregnete lebenswerte Stadt in Erinnerung geblieben, und oft, wenn ich schlechte Laune habe, schaue ich im Internet auf www.wetter.de , ob es in Münster regnet. Es regnet fast immer, und so bessert sich meine Laune.

Der Erfinderladen
    Über Berlin ist seit Langem bekannt, dass alle Wege in dieser Stadt in einer Kneipe enden. Die Kneipen und Friseursalons stehen hier in Reihen nebeneinander, und wenn eine Kneipe aus gesundheitlichen Gründen pleitegeht, macht sofort eine andere an ihrer Stelle auf. Die Menschen können sich in diesem ewigen quasi-natürlichen Kreislauf der Kneipen und der Friseursalons nicht verlieren. Die meisten haben gar keine Haare mehr, sie müssen nicht lange überlegen, wo sie hingehen.
    Lange Zeit dachte man, in unserer von Krisen bedrohten Zeit seien Kneipen der einzige sichere Hafen. Dementsprechend groß war meine Überraschung, als eines Tages anstelle einer Kneipe bei uns in der Nebenstraße ein Erfinderladen eröffnete. Dort werden Erfindungen aller Art ge-und verkauft. Die Mehrheit der Kunden, die diesen Laden betreten, sind Erfinder: Sie kaufen nichts, sondern wollen ihre Erfindungen loswerden. Die Deutschen erfinden gerne, misstrauen gleichzeitig aber den Erfindungen anderer. Es wird in dem Laden so wenig verkauft, dass es einem das Herz brechen kann. Nichts ist trauriger als der Anblick eines Erfinders, dessen Erfindung niemand braucht.

    Ich gebe zu, die meisten Erfindungen scheinen sinnlos, und die meisten Erfinder sehen aus, als hätten sie einen Dachschaden, und wahrscheinlich haben sie tatsächlich einen. Die besonders Penetranten unter ihnen kommen jeden Tag in den Laden. Der eine hat eine Weltformel entdeckt, die alles erklärt, und attackiert fremde Menschen geradezu mit seiner Entdeckung. Aber niemand will sie haben. Ein anderer kann Schokolade aus Biomüll herstellen und bietet jedem ein Stück davon zum Probieren an. Aber außer meiner Mutter hat noch niemand seine Schokolade aus Biomüll probiert, weil sie hellgrün und nicht besonders schmackhaft aussieht. Meine Mutter, kein Gourmet, sondern ein Mensch, der in Krieg und Hungerzeiten aufgewachsen ist, nickte auf Nachfragen nach dem Geschmack ausweichend und meinte anschließend fast triumphierend, auch das könne man zur Not essen. Es gibt auch noch einen Sportsfreund unter den Erfindern, der dreieckige Fußbälle für ein effektives Torwart-Training erfunden hat, aber die Torwarte meiden diesen Laden. Niemand steht Schlange, um die dreieckigen Bälle zu ergattern.
    Die meisten Erfindungen, die im Schaufenster des Erfinderladens ausgestellt sind, zeigen, wie kleinmütig der menschliche Erfindungsgeist geworden ist. Früher, als man noch an den unaufhaltsamen Fortschritt glaubte, wurde beinahe jede Erfindung weltweit groß bejubelt. Die Amerikaner hatten die Atomkraft gebändigt, die Russen bauten eine Rakete nach der anderen und flogen damit ins All. »Auch diese Hürde ist genommen worden!«, schrieben
die Zeitungen begeistert. »Bald ziehen die ersten Russen auf den Mars!«
    Man hatte das Gefühl, es fehlte nur noch ein kleiner Schritt, und wir hätten es geschafft, nichts mehr würde dem ewigen Leben im Paradies im Wege stehen. Man brauchte kein himmlisches Paradies mehr, denn wir waren drauf und dran, ein irdisches aufzubauen. Man musste bloß noch der Natur ihre letzten kleinen, schmutzigen Geheimnisse entreißen, um sie ganz in den Dienst der Menschheit treten zu lassen. Doch dann bauten die Amerikaner bloß noch Atombomben, und die Russen kamen aus dem All zurück und wussten nur

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