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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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meist im fünfstelligen Bereich. In diesem Job kannst du innerhalb von Sekunden zum Rockstar werden und am nächsten Tag nicht einmal mehr in der kleinsten Klitsche auftreten dürfen.“
    „Vielleicht hat er diesen enormen Druck nicht mehr ausgehalten und deshalb nach neuen Perspektiven gesucht.“
    „Wie auch immer, Rainer Herold hatte sich jedenfalls für eine Woche Urlaub genommen. Sein Chef vermutet, er habe in Hamburg Freunde und Verwandte besuchen wollen.“

    „Und doch hatte er auch einen geschäftlichen Termin hier. Weber, wir müssen herausbekommen, was dahintersteckt.“
    „Dass man in Herolds Firma nichts von seinen Plänen gewusst hat, wundert mich nicht. Aber es muss darüber hinaus doch noch jemanden geben, dem er davon erzählt hat.“
    Anna nahm ihren Mantel aus dem Schrank.
    „Kommen Sie, wir fahren aufs Land.“
    Die Fahrt über die Autobahn ging schleppend voran, die Straßen waren noch immer vereist, und Anna bemerkte im Gesicht so manches Autofahrers, den Weber überholte, unruhig flackernde Augen. In ihrer Gegend gab es höchstens ein paar Wochen im Jahr wirkliches Winterwetter mit Eis und Schnee. Das war es wohl auch, was die Leute so nervös werden ließ. Sie konnten einfach nicht mit den ungewohnten Straßenverhältnissen umgehen. Ein kleiner Streifen Wintersonne kitzelte Annas Nasenspitze. Sie blinzelte in das Licht und genoss den Augenblick.
    Das Elend schaute Anna wenig später aus der rotbraunen Ledersofaecke entgegen, aber sie konzentrierte sich trotzdem auf ihre Arbeit. Doch egal, welche Frage Anna den Eltern von Rainer Herold auch stellte, immer bekam sie nur ein Schulterzucken zur Antwort. Erschreckend, wie wenig Paul und Hilde Herold über das Leben und die Leidenschaften ihres Sohnes wussten. Fast schien es so, als wäre er nicht ihr Kind gewesen, sondern irgendein Mensch, mit dem sie in der Vergangenheit zufällig eine Wohnung geteilt hatten. Anna überlegte, ob es ihr eines Tages ebenso wie dieser Mutter ergehen könnte. Die Vorstellung, ein Kind geboren zu haben, das dann irgendwann, als Erwachsener, völlig fremd geworden vor einem stand, machte die Kommissarinunendlich traurig. Woran mochte es wohl liegen, dass es keinerlei Vertrautheit zwischen ihnen gegeben hatte? Kein Wissen oder Ahnen, was ihren Sohn berührt hatte. Wen er geliebt, wen er gehasst hatte. Weber klappte sein Notizbuch wieder zu. Nicht einen Namen hatte er aufschreiben können. Wenn man den Aussagen seiner Eltern Glauben schenken konnte, schien Rainer Herold, seitdem er flügge geworden war, keine Feinde, aber auch keinen einzigen Freund gehabt zu haben.
    Elsa in Maschen, im März 1983
    Warum hatte Robin keine Freunde? Ihr Bruder war doch ein liebenswerter Kerl, und seit er in die Schule ging, kannte er endlich auch ein paar andere Kinder seines Alters. Leider hatte Elsa ihn noch nie auf der Straße mit den Jungen beim Fußball gesehen, nicht ein einziges Mal war Besuch für ihn da gewesen. Wenn sie am Abend von ihren Streifzügen in der Siedlung nach Hause kam, leuchtete sein Gesicht auf, so, als habe er seit Stunden auf Elsa gewartet. Dann kletterte er mit seinem neuesten Kipplaster oder einem Buch für Babys auf ihren Schoß und wollte, dass sie sich um ihn kümmerte. Manchmal tat sie es sogar, auch wenn es alles andere als angemessen war, sich in ihrem Alter, immerhin war sie schon elf, noch mit diesem Erstklässler abzugeben. Doch irgendwie war er in Ordnung, und vielleicht einfach zu jung, um von ihrer Hässlichkeit abgestoßen zu sein. Ganz anders Miriam, die jüngere Schwester. „Kleine Prinzessin“ wurde sie von Vera genannt. Wenn es im Haus jemals so etwas Ähnliches gegeben hatte wie Fröhlichkeit, dann für sie. Kinderlachen konnte man hören, wenn Miriam mit ihren Prinzessinnenfreundinnen spielte. Sie war noch nicht einmal sechs Jahre alt und hatte schon eine genaue Vorstellung davon, was Schönheit war. Jeden Morgen gab es Theater wegen der Sachen, die sie anziehen sollte. Miriam hasste Hosen. Selbst wenn es draußen regnete oder schneite und es so kalt war, dass einem die Hände am Fahrradlenker festfroren, wollte sie immer nur in ihren Rüschenkleidern in die Vorschule gehen. Oder in dem weißen Rock mit den gelben und orangefarbenen Blumen darauf. Nur dann gab es Streit mit der Mutter, sonst waren die beiden ein Herz und eine Seele. Manchmal, wenn die ganze Familie gemeinsam beim Essen saß, verzog die Kleine das Gesicht, während sie ihre große Schwester mit einem Ausdruck anstarrte,

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