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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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nicht von Anfang an.“
    „Genau wie bei Frieda, deiner Großtante, die konnte auch nie still sitzen. So hat sie der Storch genau wie dich anstatt im Nacken eben im Gesicht erwischt.“ Sie gab ihrer Tochter einen versöhnlichen Klaps auf den Po.
    „Aber …“
    „Immer dieses Theater wegen des kleinen Flecks vor deinem Ohr. Warum lässt du dir nicht die Haare wachsen, dann wird man kaum mehr etwas sehen. Wenn du groß bist, kannst du ihn ja immer noch wegmachen lassen. Wir haben schon so oft darüber gesprochen, dass es zum jetzigen Zeitpunkt zu schwierig ist.“
    „Ich will es aber sofort.“
    „Schluss jetzt, Elsa. So viel Aufregung um nichts, du bist doch ein hübsches Mädchen. Andere Leute haben Schweinsaugen oder einen fürchterlichen Zinken im Gesicht. Sieh das Mal doch als Gruß an, so kannst du sicher sein, auf jeden Fall zu unserer Sippe zu gehören. Frieda ist trotzdem eine fesche Person gewesen, und ihre Männer hat das auch nie gestört. Wenn jemand über dich lacht, wird es an etwas anderem liegen, so schlecht gelaunt, wie du immer herumläufst.“
    Elsa schluckte ihren Zorn hinunter und ging zurück auf die Straße, wo ihre Glasscherben auf sie warteten. Vorsichtig sah sie zu Doreens Eingang hinüber. Auf den schmalen Stufen vor der Tür saßen drei Mädchen hintereinander aufgereiht wie Perlen an einer Schnur und spielten mit ihren Puppen. Doreen war nicht unter ihnen, aber bestimmt würde sie gleich zurückkommen. Elsa raffte die Scherben in ihrem Rock zusammen und trollte sich in das kleine Stück Garten hinter dem Haus. Was sie jetzt auf keinen Fall vertrug, war eine halbherzige Aufforderung mitzuspielen. Lieber war sie allein. Und überhaupt, wer wollte schon mit ihr zusammen sein, hässlich, wie sie war. Elsa konnte es den anderen nicht verübeln, dass sie sie mieden, so, wie Katzen das Wasser meiden. Bestimmt hatten sie Angst, sich doch irgendwie bei ihr anzustecken, wenn sie im Eifer des Gefechtes eine ihrer Hände zu fassen bekamen oder, noch schlimmer, eine Stelle ihres Gesicht streiften. Ihr Bruder Robin hatte sich mit Decken in der von hohem Unkraut überwucherten Parzelle eine Höhle gebaut. Auch er spielte allein. Sie nahm ihre Lieblingsglasscherbe, die große blaue, in die Hand, und dann ging es fast wie von selbst. Verwundert beobachtete Elsa das schmale Rinnsal, das nun rot an ihrem Unterarm herabrann und langsam, aber doch beständig auf das Gras tropfte. Was war nur los mit ihr heute? Warum konnte sie den Schmerz nicht fühlen?
    Am Abend zog Anna Greve ihre Sportsachen an und schlug die Haustür hinter sich zu. Das Laufen war beschwerlich in diesen Tagen. In der letzten Woche war Sturm über den Norden von Deutschland hereingebrochen, der eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hatte. Danach war polare Kaltluft zu ihnen geströmt. Der Feldweg vor ihr schlängelte sich unberührt durch die Lüneburger Heide. Der plötzliche Temperatursturz hatte das Land mit einer dünnen Eisschicht überzogen, die Anna nur mühsam vorankommen ließ. Trotzdem war sie aufgebrochen, und obwohl sie schon mehrfach gerutscht war, bereute sie es nicht. Laufen war Meditation, nur durch die Anstrengung und den gleichmäßigen Rhythmus von Bewegungund Atem konnte sie wirklich entspannen. Ihr Kopf, angeregt durch den Überfluss an Sauerstoff, konnte klarer denken. Belangloses fiel von ihr ab, und nur das, was wirklich wichtig war, blieb übrig. Während sie weiterlief, nahm sie sich vor, später noch auf einen Sprung bei Paula vorbeizuschauen. Anna freute sich. Ein Abend mit Paula bedeutete immer, dass es etwas zu lachen gab, bedeutete immer Vertrautheit und vielleicht sogar neue Erkenntnisse den Mordfall Rainer Herold betreffend.
    Nachdem sie geduscht hatte, stand Anna nackt vor ihrem Kleiderschrank und suchte gerade ihren schwarzen Body, als Tom zur Tür hereinkam. Er stellte sich hinter sie und fing an, ihr Ohr mit seinen warmen Lippen zu liebkosen.
    „Ach, Anna, was machst du nur mit mir? Warum muss ich ausgerechnet heute Abend noch einmal weg.“
    Er drehte sie zu sich herum, seine Augen blitzten.
    „Wahrscheinlich, weil ich mit Paula verabredet bin. Aber ich werde mich beeilen.“
    Tom beugte sich zum Abschied weit hinunter und kitzelte ihren Bauchnabel mit seiner Zunge, dann machte er sich mit einer angedeuteten Kusshand auf den Weg. Er musste diese Nacht noch in seine Druckerei zurückfahren, um einen zusätzlichen Auftrag fertigzustellen. Die Zeiten waren härter geworden, und Tom konnte es

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