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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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als wäre sie soeben in Hundescheiße getreten. Miriam zeigte auf Elsas kleinen Fleck vor dem Ohr und machte ein Ekelgeräusch. Iiiiih! Dann sah Friedrich, ihr Vater, Veras Prinzessin so lange tadelnd an, bis diese den Blick niederschlug und zu weinen anfing. Jedes Mal bestand der Vater darauf, dass Miriam sich bei Elsa entschuldigte, und jedes Mal wischte Vera diese Forderung beiseite. „Sie ist doch noch so klein, sie versteht nicht, was sie sagt.“
    Wenn Friedrich daraufhin die Küche verließ, um sich mit einem Bier auf die Couch zu legen, war sonnenklar, dass es heute Abend wieder Streit geben würde. Manchmal ging das Brummen des Vaters und das schrille Gezeter der Mutter bis weit in die Nacht hinein. Elsa lag in ihrem Bett, und auch wenn sie kein Wort verstand, wusste sie genau, dass es wie immer um sie ging. Wenn sie doch nur groß genug wäre, um zu einem guten Arzt zu gehen. Und wie viele Jahre würde sie noch warten müssen, bis zu jenem verheißungsvollen Tag, an dem sie endgültig dieses Haus verlassen konnte. Wann war sie endlich groß genug für die Welt jenseits der Siedlung?
    Weber und Anna waren auf dem Weg zur täglichen Besprechung mit ihrem Vorgesetzten. Als sie an die Tür seines Büros anklopften und keine Reaktion bekamen, gingen sie hinein. Günther Sibelius saß hinter seinem Schreibtisch und schaute ihnen trüb entgegen.

    „Was ist los, Chef?“
    Sibelius winkte ab.
    „Hoffentlich steht in der nächsten Zeit keine Personen-überwachung an, die werden wir dann nämlich ohne Unterstützung von Kollegen aus anderen Abteilungen machen müssen. Hier, gucken Sie sich das an“, meinte er verärgert und warf den Zettel, auf den er bis eben noch gestarrt hatte, quer über den Tisch.
    Es war eine Dienstanweisung der Innenbehörde, in der Sibelius’ Kompetenzen nachhaltig beschnitten wurden. Die Tendenz war eindeutig. Demnächst würden sie vielleicht sogar noch jede Rolle Faxpapier einzeln beantragen müssen. In der Vergangenheit habe es viele unnötige Ausgaben, ja sogar Verschwendung gegeben, behauptete der Verfasser des Textes. Das solle sich nun ändern.
    Hinzu kam noch ein weiteres Ärgernis, das für die Kommissare noch viel Zusatzarbeit mit sich bringen würde. Schließlich mussten die neuen Hilfskräfte, die in Zukunft im Innendienst beschäftigt werden sollten, ja auch von irgendwem eingearbeitet werden.
    „Die werden sich bestimmt schon bald wieder eines Besseren besinnen.“ Weber versuchte ein aufmunterndes Lächeln.
    „Weber, Sie sind ein unverbesserlicher Optimist. Nach dieser unerfreulichen Sache mit Poll als Innensenator und all dem Kasperkram, den wir seinetwegen veranstalten mussten, hatte ich mich wirklich auf ein paar ruhigere Jahre eingestellt. Doch jetzt scheint der Zirkus von vorne loszugehen.“
    Anna wusste, dass Sibelius Recht hatte. Die Stadt stand kurz vor der finanziellen Pleite, aber jetzt sollte, wie so oft, wieder einmal an der falschen Stelle gespart werden: Bei der Hamburger Polizei.

    Elsa lenkte ihren Mietwagen über die vereiste Autobahn. Sie fuhr sehr schnell. Zu schnell, um die Situation wirklich im Griff zu haben. Aber Kontrolle war auch nicht das Ziel. Elsa wollte spüren, dass sie noch lebendig war; einen Körper besaß und ein Herz, das klopfte. Doch hier, auf dieser viel befahrenen Straße, würde sie nur unnötig auf sich aufmerksam machen, wenn sie weiter in diesem Tempo raste. Elsa betrachtete ihr verschwitztes Gesicht im Rückspiegel, dann nahm sie den Fuß vom Gas. Sie bog von der Autobahn ab und nahm die Landstraße in Richtung Maschen. Jetzt hatte sie einen großen Haufen Zeit und endlich den Raum vor sich, das Richtige zu tun. Fast fühlte sie so etwas wie Freude bei dem Gedanken an die Aufgabe, die vor ihr lag. Ihr Liebster, wie würde er sich freuen, wenn er Elsa nach so langer Zeit nun endlich wieder sehen würde. Bald würde es so weit sein.
    Sorgfältig bürstete Torsten Lorenz die Flusen von seiner Uniformjacke, bevor er sie anzog. Anschließend betrachtete er die braunen Lederschuhe, die noch immer schmutzig im Hausflur standen.
    „Marianne!“
    Torsten Lorenz sah auf seine Armbanduhr. Wenn er jetzt auch noch anfangen musste, seine Schuhe zu putzen, würde er zu spät kommen. Und Torsten hasste es, unpünktlich zu sein. „Marianne!“, rief er wieder, dieses Mal lauter. Eine schlanke Frau mit langen, blonden Haaren zeigte sich kurz in der Tür. Früher war sie das schönste Mädchen der ganzen Gegend gewesen, doch die täglichen

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