Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
Vom Netzwerk:
lassen würden. Aber wie konnten sie ihm helfen, ohne direkt einzugreifen?
    Trotzdem, Anna musste es noch einmal versuchen, und so folgte sie Ben in den ersten Stock hinauf. Leise schloss sie die Zimmertür hinter sich, Ben lag im Dunkeln auf seinem Bett.
    „Du darfst dir das nicht gefallen lassen.“
    „Wenn ihr euch da einmischt, habe ich verloren. Die wissen, dass du bei den Bullen bist.“

    Anna nahm Ben nun doch in den Arm und gab ihm einen Kuss, den er sich überraschenderweise auch gefallen ließ.
    „Am besten, wir überschlafen die Sache und sprechen dann noch mal.“
    Als Anna ins Wohnzimmer zurückkam, sah Tom sie erwartungsvoll an.
    „Wie ist es gelaufen?“
    „Ich glaube, unser Großer steckt in ernsten Problemen. Aber er weiß, dass wir ihm beistehen. Wir müssen abwarten.“
    „Ich fahre heute Abend nicht mehr ins Büro. Dann kannst du Paula besuchen, und Ben hat jemanden, mit dem er reden kann, wenn er will.“
    Dankbar nahm Anna sein Angebot an. Ihr gingen die beiden Toten nicht mehr aus dem Kopf und die Tatsache, dass ihre Freundin Paula beide gekannt hatte.
    Nachdem Anna ihr Holzproblem geschildert hatte, für das Paula sofort eine Lösung wusste, kam sie auf das Wesentliche.
    „Hast du noch Bilder aus deiner Schulzeit, auf denen auch Rainer Herold und Torsten Lorenz zu sehen sind?“
    Paula kramte eine große Aluminiumkiste hervor und gab Anna ein Zeichen, ihnen in der Zwischenzeit einen Tee zu kochen. Als die Kommissarin wenig später mit zwei Bechern in der Hand aus der Küche zurückkam, lagen mehrere Fotografien in Paulas Schoß.
    „Hier“, sie zeigte mit dem Finger auf einen knienden Lockenkopf in der vorderen Reihe. „Das ist Rainer Herold und der direkt dahinter Torsten Lorenz.“
    Anna betrachtete die beiden Jungen. Zwei Teenager, die aussahen, als wüssten sie nicht wohin mit ihrer überschüssigenKraft. Strahlende Gesichter voller Zuversicht, dass ihr Leben genauso verlaufen würde, wie sie es sich vorstellten. Kein Zweifel lag in ihren Augen, die vor ihnen ausgebreitete Zukunft schien für sie ein einziges großes Abenteuer zu sein. Dann entdeckte Anna auch ihre Freundin Paula auf einer der Fotografien, sie war schon als junges Mädchen sehr schön gewesen. Das brachte die Kommissarin auf eine Idee. Sie begann, die Bilder nach einem rothaarigen Mädchen abzusuchen.
    „Ich denke immer wieder an diese unbekannte Frau, Paula. Die, mit der Rainer Herold am Vorabend seines Todes den Gasthof verlassen hat. Könnte sie nicht auch mit euch zur Schule gegangen sein?“
    „Es gab wohl ein paar Schönheiten, aber niemanden, auf den deine Beschreibung passt. Ich weiß nicht, Anna. Ich glaube, du musst woanders suchen.“
    Die Kommissarin erinnerte sich an ihr Klassentreffen vor einigen Monaten. Sie war erstaunt gewesen, wie viele ehemalige Mitschüler sich äußerlich so sehr verändert hatten, dass sie kaum wiederzuerkennen gewesen waren.
    „Früher könnte sie auch ganz anders ausgesehen haben. Denk nach, Paula. Wer von diesen Menschen auf den Fotos hier hat vielleicht einen Grund gehabt, sich an Rainer Herold und Torsten Lorenz rächen zu wollen?“
    Elsa in Maschen, im Herbst 1984.
    Elsa wusste schon, warum sie nicht täglich in die Schule ging. Besonders an Montagen fiel es ihr schwer, in die Schulstraße einzubiegen. Dabei war sie sonst doch auch nicht langsamer als Manfred oder Uta. Und trotzdem war immer sie diejenige, die übrig blieb, wenn die Mannschaften im Sportunterricht gewählt wurden. In Zukunft würde Elsa umsichtiger sein müssen, zum Glück hatte sie die Unterschrift ihrer Mutter Vera perfekt nachzumachen geübt. Nun würde diese Fertigkeit bald zum Einsatz kommen. Die Klassenlehrerin hatte an diesem Abend angerufen und ihre Eltern fassungslos zurückgelassen. Elsa sollte die Schule schwänzen? Wie konnte das nur sein? Sie ging doch jeden Tag pünktlich aus dem Haus und kam immer erst zurück, wenn das Mittagessen auf dem Tisch stand. Elsa gelobte Besserung, dann ging sie nach oben, holte Vaters alte Reiseschreibmaschine aus dem Schlafzimmerschrank hervor und machte sich daran, ein paar Entschuldigungen für zukünftige Notfälle zu tippen.
    Doreen war die Einzige aus ihrer Klasse, die manchmal nett zu ihr war. Gestern hatte sie ihr sogar einen Apfel geschenkt und sie getröstet, weil Elsa nach der Deutschstunde nicht anders gekonnt hatte, als mit ihrer Drahtbürste auf die hochnäsige Carolin einzuschlagen. Wenn Elsa sich meldete, hatte sie immerhin etwas zu sagen.

Weitere Kostenlose Bücher