Liebeskind
getrockneten Liebstöckel vor sich hin. Dampf stieg auf und beschlug die Fensterscheiben. Eigentlich war es ganz gemütlich, dachte Elsa. Nicht einmal die gemeinsamen Erinnerungen an ihre Kindertage und das In-der-Küche-helfen-Müssen hatten wehgetan. Wenig später saßen sie einander gegenüber und aßen. Elsa löffelte mechanisch und versuchte angestrengt, über den goldverzierten Rand von Veras Teller hinwegzusehen. Robin schien nicht weiter zu bemerken, wie viel Kraft es sie kostete, von einem Teil Vergangenheit zu essen. Robin redete ohne Unterlass, sein blasses Gesicht hatte eine rosige Farbe angenommen.
„Wenn du willst, können wir Mutter gleich nach dem Essen besuchen.“
„Ich glaube, dass es besser ist, wenn du das zuerst mit den Ärzten besprichst. Jetzt haben wir schon so lange gewartet, dass ein weiterer Tag auch nicht mehr schadet. Und nun zu etwas ganz anderem. Was macht eigentlich die Liebe, Robin? Hast du mal wieder etwas von Doreen gehört?“
Robin hustete, er hatte sich am letzten Löffel Gemüsesuppe verschluckt. Verlegen schob er den Teller von sich fort.
„In dieser Hinsicht bin ich leider nie sehr erfolgreich gewesen, und daran hat sich bis heute nichts geändert.“ Er seufzte. „Doch was wolltest du mit der Frage nach Doreen nun wirklich wissen? Du hast sie schließlich nicht mehr ausstehen können, nachdem sie dich damals im Stich gelassen hat.“
„Na und, das ist lange her. Deshalb kann ich mich doch trotzdem dafür interessieren, was Doreen heute so treibt. Vielleicht ist Vera ja nicht die Einzige, die ich besuchen möchte. Und wenn ich wieder hier lebe, ist es außerdem nur gut, bereits ein paar Leute zu kennen, zu denen ich wieder Kontakt aufnehmen kann.“
Robin nahm seinen Tabak und begann, sich eine seiner übel riechenden Zigaretten zu drehen.
„Doreen ist mit einem Tischler verheiratet und lebt irgendwo in unserer alten Gegend. ’Ne ganz gute Partie soll er sein. Und sie hat zwei Kinder, glaube ich.“
„Was, die gute Doreen lebt noch immer im Landkreis? Das freut mich aber, erzähl mir mehr von ihr.“
Als Anna an diesem Abend die Haustür aufschloss, wurde sie von einer angenehmen Wärme empfangen. Tom kam seiner Frau aus dem Wohnzimmer entgegen und nahm ihr den Mantel ab.
„Die Handwerker sind heute tatsächlich fertig geworden. Paula hat ganze Arbeit geleistet.“
„Wenigstens eine gute Nachricht. Ich hatte schon fast vergessen, wie schön eine funktionierende Zentralheizung sein kann. Ist Ben noch auf?“
„Ich glaub schon, ich habe aber noch nichts zu ihm gesagt. Ich wollte auf dich warten.“
Zu gern hätte Anna jetzt erst einmal ein heißes Bad genommen, dabei leise Jazzmusik gehört und ein Glas Rotwein getrunken. Doch das würde noch eine Weile warten müssen.
„Gut, bringen wir es also hinter uns.“
Hand in Hand gingen sie die Treppe hinauf und klopften an die Zimmertür ihres älteren Sohnes. Als sie eintraten, lag Ben mit einer aufgeschlagenen Computerzeitschrift auf seinem Bett und tat, als würde er lesen. Er hatte seinen Fernseher, in dem gerade ein Boulevardmagazin lief, eingeschaltet, und aus seiner Hifi-Anlage dröhnte Hip-Hop-Musik. Tom ging zum Regal hinüber und stellte die Musik ab.
„Wäre es nicht sinnvoller, wenn du dich ausnahmsweise mal nur auf eine Sache konzentrieren würdest?“
Noch bevor Ben zu einer patzigen Antwort ansetzen konnte, hatte Anna bereits den kleinen Plastikbeutel aus ihrer Hosentasche hervorgeholt und schwenkte ihn zwischen ihren Fingern.
„Wir wollen über das hier mit dir reden.“ Mit diesen Worten war sie an Bens Bett herangetreten und hatte ihm die Tüte mit dem aufgedruckten Marihuanablatt vor die Nase gehalten.
„Das hier habe ich beim Saubermachen auf deinem Schreibtisch gefunden.“
Ben riss ihr den Beutel aus der Hand und schrie: „Wie kommst du dazu, in meinen Sachen rumzuschnüffeln?“
Sanft nahm ihm Anna das Gras wieder aus der Hand und steckte es in ihre Hosentasche zurück.
„Ich habe nicht danach gesucht, wenn du das meinst. Es lag ganz offen herum, deshalb habe ich es einkassiert. Duglaubst doch wohl nicht im Ernst, dass du dieses Zeug mit unserem Einverständnis nehmen kannst, oder?“
Bens Gesicht wurde finster. Wütend trat er gegen seine Schultasche, die daraufhin umfiel und einen Wust Bücher, Hefte und lose Zettel ausspuckte.
„Was soll’s, machen doch alle.“
Er legte sich auf sein Bett zurück und konzentrierte sich wieder ganz auf seinen Comic.
„Sonst
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