Liebeskind
Schaufenster. Auf die gestreiften Kleider im Partnerlook für sich und die kleine Miriam war sie besonders stolz gewesen, heute. Elsa sei zu üppig geworden für Querstreifen, hatte sie gesagt und dabei durch ihre ältere Tochter hindurchgesehen.
„Aber stell dir einmal vor, wie zauberhaft das aussieht, wenn wir mit Miriam so zusammen im Sommer an die Elbe fahren. Sie ist ein so hübsches Kind.“
Friedrichs Augen waren stumpf geworden, als er zugesehen hatte, was sie auspackte. Wieder nur Schnäppchen, doch leider fehlte ihnen sogar das Geld für Schnäppchen. Vera selbst war es unmöglich, etwas zum gemeinsamen Lebensunterhalt dazuzuverdienen. „Schließlich habe ich kleine Kinder, um die ich mich kümmern muss“, erwiderte sie jedes Mal, wenn Friedrich ihr vorhielt, dass sie nicht wirtschaften konnte. Das Abendessen war schon lange vorüber, aber sie saßen noch immer am Tisch. Nicht einmal Miriam hatte herumgezetert, weil sie unbedingt die Gutenachtgeschichte im Fernsehen anschauen wollte. Elsa hatte die ganze Zeit nur von einem zum anderen gesehen und kein Wort gesagt. Nun beobachtete sie ihren Vater, etwas war anders als sonst. Er stand vor Vera, den Körper bis zum letzten Muskel angespannt und klang gefährlich leise.
„Jetzt ist Schluss damit. Morgen bringst du die Sachen zurück.“
Veras Stimme nahm einen hysterischen Unterton an.
„Warum kannst du dich nicht für mich freuen? Fühl doch mal den weichen Stoff“, sie warf ihm das Kinderkleid entgegen. „Und hier, der Preis, das ist doch wirklich lächerlich für so ein schönes Stück. Nie gönnst du uns etwas“, murmelte sie jetzt unter Tränen. „Das Leben ist doch so schon schwer genug.“
„Wir reden später noch einmal darüber, wenn die Kinder im Bett sind“, brummte Friedrich, drehte sich um und schloss die Tür hinter sich.
Mittlerweile wusste Elsa auch, warum der Vater ihre Verabredung vergessen hatte. Friedrich war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihren Umzug vorzubereiten. Gestern, der eingetrocknete weiße Farbfleck an seinem Ellenbogen. Warum fiel ihr erst jetzt auf, dass er nach Feierabend bestimmt ihre neue Wohnung renovierte? Nun würde es nicht mehr lange dauern, Friedrich konnte sich Veras Dummheit schließlich nicht ewig gefallen lassen. Endlich tat er etwas. Der Vater würde sie, Elsa, an die Hand nehmen und mit ihr zusammen noch einmal ganz neu beginnen. Wenn Robin mochte, konnte er gern mitkommen. Elsa würde schon dafür sorgen, dass sie es gut zusammen hätten. Sie würde sich um ihre beiden Männer kümmern, das hatte sie schließlich immer getan. In dieser Nacht war der heftige Streit zwischen ihren Eltern beinahe Musik für Elsas Ohren, er schien wie der fröhliche Aufbruch in ein neues Leben zu sein. Irgendwann, der Morgen graute schon und die Vögel hoben ihr vielstimmiges Gezwitscher an, schlief Elsa endlich zufrieden ein.
Anna saß an ihrem Schreibtisch und blätterte lustlos die bunte Mappe mit den Sparmaßnahmen von Martin Schönauer durch, als sie plötzlich auf eine Stelle aufmerksam wurde.
„Für den Bürger da sein!“, hieß es da. Die Worte waren in runden Buchstaben und beruhigendem Grün auf weißen Grund gedruckt. Sie schlug die nächste Seite auf, wo sie eine weitere Zeile, diesmal in leuchtend roter Schrift ansprang. „Unsere Bürger sollen sich wieder sicher fühlen!“ Diesmal war die Farbe des Papiers hellblau wie ein Frühlingshimmel.
Anna fiel die Mappe aus der Hand, denn plötzlich fühlte sie sich wieder an die dummen Sprüche der Poll-Partei vor einigen Jahren erinnert.
Deprimiert hob sie den Ordner vom Fußboden auf und entsorgte ihn im Mülleimer. Weber, der gerade hereingekommen war, ging um ihren Schreibtisch herum und holte ihn wieder heraus.
„So schlecht gelaunt, an diesem schönen Morgen? Wir müssen uns damit auseinandersetzen, Anna. Nur dann können wir etwas verändern.“
Er schlug eine Seite auf. „Hier, unsere Bezüge sollen zum nächsten Quartal aufgestockt werden. Das ist doch schon mal was. Zweihundert neue Leute für den Innendienst und endlich andere Uniformen.“
Anna erinnerte sich an Thomas Bertram und die vielen anderen jungen Leute in der Polizeikantine. Sie hatten eher den Eindruck vermittelt, auf einem Schulausflug und nicht zur Einarbeitung in neue Arbeitsfelder hier zu sein.
„Steht da auch, wie viel die uns mehr zahlen wollen?“
Weber wollte gerade nachlesen, als Anna ihm die Mappe aus der Hand nahm.
„Sie lesen zu wenig im
Weitere Kostenlose Bücher