Liebeskind
Ich habe mich selbst informiert, anschließend meine Vorgehensweise mit Herrn Wieland von der Maschener Kreissparkasse abgestimmt und dann getan, was ich für das Beste hielt.“
„Rainer Herold ist ein erfolgreicher Investmentbanker gewesen. Wer würde sich jemanden wie ihn nicht als Bekannten wünschen. Bestimmt fällt da der eine oder andere gute Tipp ab, wenn man beim Bier beisammensitzt und über das Leben spricht.“
Ihre Stimme klang jetzt fast warm, verbindlich.
„Verdächtigen Sie mich etwa?“
„Das ist eine reine Formsache, die Sie sofort aus der Welt schaffen können. Meine Kollegin Greve hat mich darüber informiert, dass Sie für die fragliche Zeit kein Alibi vorzuweisen haben.“
Dirk Adomeit vermied es immer noch, ihr in die Augen zu sehen.
„Ich bin allein zu Hause gewesen“, antwortete er leise.
Sigrid Markisch erhob sich von ihrem Stuhl, drehte ihm den Rücken zu und zückte einen Hefter aus dem Regal vor ihr. Dann schlug sie ihn auf und blätterte darin herum.
„Und es hat Sie nicht zufällig jemand angerufen? Oder vielleicht waren Sie mal kurz Zigaretten holen?“
„Ich rauche nicht.“
Sie warf die Mappe auf ihren Schreibtisch und fixierte ihn unerbittlich. Ihre Stimme klang wie klirrendes Glas.
„Das ist nicht gut, Herr Adomeit. Könnte es nicht vielmehr sein, dass Sie nur deshalb kein Alibi haben, weil Sie der Täter sind? Weil Sie die Überheblichkeit von Rainer Herold und Torsten Lorenz nicht mehr ertragen konnten und die Tatsache, dass die beiden Sie als Kind verspottet und als Erwachsenen um Ihre Existenz gebracht haben?“
Dirk Adomeit scharrte mit den Füßen. Er fand einfach keine Stellung, in der es ihm gelang, seine Beine ruhig zu halten.
„Ich habe damit nichts zu tun.“
„Wie auch immer, wir werden uns einen Überblick über Ihre finanzielle Situation verschaffen müssen, Herr Adomeit. Gleich im Anschluss wird Sie ein Beamter begleiten, dem Sie bitte alle ihre Unterlagen aushändigen werden.“
„Kann ich jetzt gehen?“
„Fürs Erste ja. Aber Sie sollten uns informieren, falls sie zu verreisen gedenken.“
Dirk Adomeit stolperte auf den Flur, wo er beinahe mit Elfi Graf zusammengestoßen wäre.
„Was haben sie denn mit dir gemacht, Dirk?“
Sie reichte ihm ein Taschentuch, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn wischte.
„Sie verdächtigt mich.“
Als sich der uniformierte Polizist, der hinter ihnen stand, daraufhin geräuschvoll räusperte, hob Dirk Adomeit seine Hand zum Abschiedgruß.
„Bis bald Elfi, ich muss los.“
Anna Greve blickte von ihrem Bildschirm auf, nachdem die Tür zu ihrem Büro mit einem Ruck aufgerissen worden und Elfi Graf grußlos ins Zimmer hereingestürmt war.
„Wie kommen Sie dazu, Herrn Adomeit auf diese Weise einzuschüchtern?“
Weber schob einen Stuhl an Annas Schreibtisch und hob einladend seine Arme.
„Wir ermitteln nach allen Seiten, aber bitte setzen Sie sich doch.“
Anna Greve bot ihr ein Glas Wasser an, das die Kellnerin aber, noch immer aufgebracht, ablehnte.
„Ich hoffe, dass wir von Ihrem guten Gedächtnis profitieren werden, Frau Graf. Das würde auch Ihren Bekannten, Herrn Adomeit, entlasten. Zuerst einmal möchte ich wissen, ob Sie eine Frau mit dem Namen Monika Diebach kennen?“
„Ja, wir sind früher öfter zusammen beim Reiten gewesen.“
„Ist Ihnen die Frau aus Ihrer Schulzeit bekannt?“
„Nein, die Monika ist erst viel später zugezogen.“
„Haben Sie auch heute noch Kontakt zu ihr?“
Elfi lachte verbittert.
„Ich glaube kaum, dass sich eine Frau wie Monika Diebach noch für mich interessieren würde. Sie hat schließlich Karriere gemacht. Ich habe gehört, dass sie mittlerweile irgendwo bei der niedersächsischen Landesregierung untergekommen sein soll.“
„Gut, kommen wir also noch einmal auf jenen Abend im ,Maschener Hof‘ zurück. Diese Fremde, die Sie in der Gastwirtschaft im Gespräch mit Rainer Herold gesehen haben, könnte eine wichtige Zeugin sein. Versuchen Sie doch bitte einmal, sich diese Frau als Kind vorzustellen.“
Elfi Graf überlegte, dann schüttelte sie den Kopf.
„So eine wie die hätte ich mir gemerkt.“
„Aber sie könnte ihr Äußeres total verändert haben.“
„Ein Mensch kann doch nicht in eine völlig neue Haut schlüpfen. Nein, ich bleibe dabei, ich habe sie nie zuvor gesehen.”
Anna Greve versuchte, das Gespräch unter einem anderen Aspekt anzugehen.
„Wie lange sind Sie mit den beiden Opfern zusammen in einer Klasse
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