Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
verhandelbar«, bestätigte Mathilde. »Sollten nämlich weder Lösung eins noch Lösung zwei zustande kommen und der Vorstand mir kündigen, werde ich einen Arbeitsgerichtsprozeß anstrengen. Mit Presse und Talkshows und allem Pipapo. Das wird dem Ruf der Schule ganz gewiß schaden.«
»Das ist Erpressung«, schnaubte Ingolf Keusemann.
»Es muß ja nicht so weit kommen«, antwortete Mathilde.
Sarstedt schob die Schale von sich. Es waren keine roten Bären mehr darin. Er stand auf, die anderen ebenfalls. »Wir werden uns beraten, und Sie hören von mir«, sagte er knapp.
Als Mathilde an diesem Tag nach Hause kam, ritt sie der Teufel. Sie setzte sich an den Computer, rief die gemeinsame Anzeigenseite der HAZ und der Neuen Presse auf und gab via Internet eine dreispaltige Vermählungsanzeige für die Wochenendausgabe auf. Damit seine Groupies Bescheid wissen, dachte sie. Und der Rest der Welt auch.
Die Frau mit dem Porzellangesicht und den kurzen roten Haaren rührte in ihrem Milchkaffe, ohne davon zu trinken. Sie hatte vor der Schule auf Mathilde gewartet und sich vorgestellt: »Mein Name ist Tiffin, ich arbeite im Psychologischen Dienst der JVA Hannover. Ich würde gerne mit Ihnen reden.«
Mathilde hatte das Café vorgeschlagen, in dem sie hin und wieder eine Freistunde verbrachte, um der Atmosphäre des Lehrerzimmers zu entrinnen.
»Worum geht es«, fragte sie nun.
»Sie werden in Kürze Lukas Feller heiraten.«
Mathilde nickte.
»Wie Sie vielleicht wissen, hat Lukas Feller acht Jahre seiner Haftstrafe verbüßt. Er kann frühestens nach fünfzehn Jahren entlassen werden. Aber da nun über die Hälfte seiner Haftzeit um ist, kann über Vollzugslockerungen entschieden werden. Das bedeutet Ausgänge, zuerst begleitet, später allein.«
»Ich weiß, was Vollzugslockerungen sind.«
»Gut. Um darüber entscheiden zu können, ob solche Lockerungen vertretbar und sinnvoll sind, nehmen wir, die Verantwortlichen, unter anderem auch Kontakt zu den nächsten Angehörigen des Häftlings auf.« Die hellgrauen Augen fixierten Mathilde ununterbrochen, wobei ihre Pupillen unruhig hin- und herglitten. »Normalerweise bitten wir die Angehörigen in die JVA, aber ich persönlich finde es besser, sich auf neutralem Boden zu begegnen. Sonst fühlen sich die Leute so vorgeladen, als wären wir die Polizei oder so etwas.«
»Eine vertrauensbildende Maßnahme, sozusagen.«
Sie nickte. »Seit wann kennen Sie und Herr Feller sich?«
»Seit dem 18. August 2004.«
»Und Sie besuchen ihn jede Woche für dreißig Minuten.«
»Mehr geht leider nicht.«
»Das macht in einem halben Jahr etwa dreizehn Stunden.«
»Sie sind gut im Kopfrechnen. Aber wir schreiben uns auch und telefonieren.«
»Ein Häftling ist ein Mann, der mit viel Aufmerksamkeit bedacht wird«, sagte die blasse Dame. »Der Aufwand, wenn man ihn besuchen möchte, die Bewacher, die ihn außerhalb der Anstalt wie eine Leibgarde umgeben – das kann ihn in den Augen einer Frau bedeutend aussehen lassen. Dazu kommt diese zweifellos erotisierende Aura der Gefahr und des Ruchlosen …«
»Worauf wollen Sie hinaus?« unterbrach sie Mathilde ungeduldig.
Die Psychologin trank von ihrem Milchkaffee, ehe sie herausplatzte: »Ich möchte Ihnen den dringenden Rat geben, Ihre Heiratspläne aufzugeben. Kehren Sie um, so lange noch Zeit ist.«
»Und warum raten Sie mir das?« fragte Mathilde.
»Glauben Sie mir, ich hatte mehr Gelegenheit als Sie, Lukas Feller kennenzulernen. Sie können von ihm keine Liebe und Treue erwarten. Er kann dies vorspielen, sogar sehr gut. Aber er ist ein Egoist reinsten Wassers. Doch das ist es nicht allein. In seinem Wesen liegt etwas Teuflisches.«
Sie hört sich an wie eine Exorzistin, nicht wie eine Psychologin, dachte Mathilde.
Die Augen der Frau glänzten fiebrig, als sie fortfuhr: »Ich weiß, Lukas Feller ist ein attraktiver, charismatischer Mann. Aber er besitzt kein Gefühl, außer für sich selbst. Wenn Sie sich an ihn binden, wird er Sie ausnutzen.«
Sie klingt wie Franziska, dachte Mathilde verärgert. »Und mit welchem Ziel?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht braucht er ein Nest, in dem er sich niederlassen kann, wenn er entlassen wird. Vielleicht geht es um Geld. So viel ich weiß, hat er seines vor seiner Inhaftierung in Aktien angelegt. Neuer Markt. Die dürften inzwischen nur noch Erinnerungswert haben.«
»Ich bin nicht reich«, erklärte Mathilde.
»Sie vergessen seine beschränkten Möglichkeiten. Momentan verdient er
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