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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Katze auf Kokain. Er spielte gern mit ihr.
    Später, beim Fernsehen, tauchte eine Erinnerung auf. Er schloß die Augen, um sie festzuhalten und sie zu genießen wie einen Schluck von einem süffigen Wein. Er steht im Regen, neben einem grinsenden Gartenzwerg, und schaut durch eine kleine schmutzige Fensterscheibe mit halb zugezogenen, rot-weiß karierten Gardinen. Zuerst sieht er sie reden, dann fallen die Kleider. Er betrachtet das Gesicht des Mädchens, als der Mann ihre Gliedmaßen in Position bringt, so, wie man sich einen Liegestuhl zurechtbiegt, und dann mit kalkulierter Rücksichtslosigkeit in ihren Körper eindringt. Kaltblütig studiert er die Körperfragmente und ihre Mechanik. Die Geometrie der Leiber könnte harmonischer sein, doch sonst gibt es nichts zu bemängeln, allenfalls die schlechten Lichtverhältnisse. Er ist ein
    Wissenschaftler, der ein Experiment verfolgt, das er zuvor sorgfältig arrangiert und choreographiert hat. Er liebt es, Menschen in extremen Situationen zu studieren. In den Augen des Mädchens liest er Angst, Ekel, Schmerz, Resignation und Trotz. Er protokolliert seine Beobachtungen, schreibt sie in sein Gedächtnis ein. Als sich das Rückgrat des Mannes ein letztes Mal heftig krümmt und der Körper mit einem erlösten Schnaufen zusammensackt, zieht er sich zurück in ein Gebüsch und wartet geduldig … Er sieht dem Mädchen nach, das steifbeinig und wie in Trance über den Rasen geht und hinter dem Zaun verschwindet. Erst jetzt, als er aus der Deckung tritt und durch die Tür geht, beschleunigt sich sein Puls. Er registriert den animalischen Geruch in der Hütte und das erschrockene Gesicht des Mannes, während er sein Messer aus dem Holster zieht. Lautlos bohrt sich der geschliffene Edelstahl in die Materie aus Haut, Fleisch und Muskulatur, fährt exakt zwischen zwei Rippen hindurch in den Herzmuskel und durchstößt erst die rechte, dann die linke Herzkammer. Beim Herausziehen der Klinge entsteht ein leises Schmatzen. Sofort drängt das Blut in den Stichkanal und tritt aus dem Körper, der in Agonie zuckt. Ein Schrei endet in Schnappatmung. Dann spiegelt sich sein Lächeln auf der Netzhaut der geweiteten Augen.
    Eine Woche vor dem Trauungstermin traf sich Mathilde mit Direktor Keusemann und Franz Sarstedt, einem Vertreter des dreiköpfigen Vorstandes der Stiftung, aus deren Mittel sich das Lise-Meitner-Gymnasium finanzierte. Die anderen beiden Vorstände hatten sich entschuldigen lassen.
    Mathilde hatte um das Gespräch gebeten. Lukas hatte ihr dazu geraten und sie in Fragen der Taktik instruiert. Sie saß auf der Stirnseite des rechteckigen Tisches in dem nüchternen Besprechungsraum. Eine Kanne Kaffee und drei Tassen standen unberührt in der Tischmitte, dazu eine Schale mit Gummibärchen. Mit sachlichen Worten setzte Mathilde die Herren über ihre bevorstehende Heirat in Kenntnis. Danach entstand eine Pause, in der Keusemann sein Kinn knetete und Sarstedt zwei rote Gummibärchen aus der Schale nahm. Während er kaute, schaute er bekümmert aus dem Fenster in den Winterhimmel, der so weiß war wie sein Haar. Seine rot-weiß gestreifte Krawatte verursachte beim Hinsehen Schwindel, außerdem paßte sie nicht wirklich gut zu seinem marineblauen Goldknopfjackett.
    »Es gibt drei Möglichkeiten …«, erläuterte Mathilde. Sie war nach außen hin ruhig, ihre Stimme klang fest, nur ihr Puls ging etwas schneller als sonst. »Die erste lautet: Alles bleibt, wie es ist. Es wird ein bißchen Gerede geben, aber letztendlich werden alle merken, daß ich keine schlechtere Lehrerin bin als vorher und auch keinen schlechten Einfluß auf die Schüler ausübe. Ich kann den Gedanken, daß mein Privatleben dem Ruf der Schule schaden könnte, nämlich nicht nachvollziehen«, bemerkte sie in Richtung Keusemann.
    Keiner der beiden sagte etwas. Sarstedt fischte noch drei rote Gummibärchen aus der Schale. Abartig, dachte Mathilde. Wo doch nur die weißen und vielleicht noch die gelben richtig gut sind. Sie fuhr fort: »Lösung zwei: Sollte der Vorstand mit der Tatsache, daß ich einen Strafgefangenen heiraten werde, überhaupt nicht leben können, werde ich gegen eine Abfindung von zwei Jahresgehältern einem Auflösungsvertrag zustimmen.«
    Bei diesen Worte schnappte Franz Sarstedt hörbar nach Luft, wobei ihm ein Gummibärchen in die Luftröhre geriet. Er hustete ausgiebig. Dabei schien er zu rechnen. »Das ist sehr viel Geld«, bemerkte er, als er wieder sprechen konnte.
    »Und es ist nicht

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