Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
Vom Netzwerk:
Eifer fragt sie, wird Papa wieder gesund? Ich zwinkere Sohara zu, sie soll ja nicht damit anfangen, ihr zu erzählen, daß er seine Krankheit noch braucht, aber sie lächelt Noga an, mach dir keine Sorgen, sagt sie beruhigend, natürlich wird er wieder gesund, die Gesundheit liegt in ihm, er muß sie nur finden.
    Noga dehnt sich erleichtert, sie setzt sich auf mein Knie, schwer und noch schlafwarm, und Sohara geht zu ihr, wenn wir uns jetzt schon sehen, möchte ich dich auch ein bißchen untersuchen, und Noga erschrickt, warum, ist Papas Krankheit ansteckend? Nein, sagt Sohara, nein, mach dir keine Sorgen, ich möchte nur sehen, welchen Einfluß sie auf dich hat, und mit den Bewegungen, die mir inzwischen schon vertraut sind, berührt sie Noga, drückt und lockert den Druck, und dabei bewegen sich ihre Lippen, als würde sie beten. Noga spannt ihre Glieder, bis die bedeutungsvollen Berührungen zu einem Streicheln der Haare werden, du bist in Ordnung, Süße, mach dir keine Sorgen, alles wird gut, und Noga atmet sichtlich erleichtert auf, so groß war ihre Anspannung, alles, was ich zu verbergen versuche, bricht bei ihr mit solcher Wildheit hervor, daß ich manchmal das Gefühl habe, sie wäre eine Karikatur meiner selbst. Lauf und zieh dich an, dränge ich sie, es ist schon Viertel vor sieben, sie schließt sich im Bad ein, und ich erschrecke, als ich sehe, wie besorgt Sohara mich anschaut. Ihr Zustand ist nicht gut, flüstert sie mir zu, sie ist verkrampft, sie ist schwach, sie ist nicht zentriert, sie kann sich in der Schule und in der Gesellschaft anderer Kinder nicht so verhalten, wie sie es sollte, und ich merke, wie mein Kopf auf meinem Hals schwankt, da ist die harte Botschaft, sie hat endlich ihren Weg zu mir gefunden, und sie ist schlimmer, als ich es erwartet habe, und ich flüstere, was kann man tun? Und sofort füge ich hinzu, ich habe dir ja gesagt, daß seine Krankheit uns kaputtmacht, und du sprichst von einer Chance.
    Ich nehme nichts zurück, sagt sie leise, und außerdem bin ich mir nicht sicher, ob das Mädchen vor der Krankheit tatsächlich in einer guten Verfassung war, es gibt da tief im Innersten Dinge, die durch die Krankheit nach außen gewendet werden, vielleicht wirkt sie sich ja sogar günstig aus. Aber auch für sie mußt du stark werden, wenn sie merkt, daß deine Situation sich ändert, wird es ihr ebenfalls besser gehen, und aus lauter Angst bin ich bereit, mich auf der Stelle zu ändern, sag mir, was ich tun soll, du brauchst es mir nur zu sagen, und sie unterbricht mich, ich habe dir für einen Tag schon genug gesagt, denke über alles nach, was wir besprochen haben. Aber das reicht mir nicht, was wird sein, ich muß mich sofort ändern, ich muß mich ändern, bevor Noga aus dem Badezimmer kommt, ich bin bereit, mich in diesem Moment in einen Frosch zu verwandeln, wenn ihr das was nützt, ich starre die Badezimmertür an, die Scheibe, die seit einem längst vergangenen Streit einen Sprung hat und die wir, wie in Kriegszeiten, notdürftig mit einem Klebestreifen geflickt haben. Was soll ich tun, murmele ich, vielleicht gehe ich heute nicht zur Arbeit und betrachte den ganzen Tag Wolken, aber der Himmel glüht, keine Wolke wagt sich heute hervor, so hell ist der Himmel, daß man ihn nicht mit offenen Augen anschauen kann. Sohara steht auf und legt mir den Arm um die Schulter, beruhige dich, sagt sie, versuche loszulassen, versuche, dir einen Weg zur inneren Gelassenheit zu bahnen, hab keine Angst vor Veränderungen, wir werden von ihnen geformt wie der Felsen von der Welle, versuche es, denn du hast keine Wahl. Da kommt Noga heraus, ihre Augenlider sind geschwollen, und ich bin sicher, daß sie im Bad geweint hat, nervös verfolge ich ihre plumpen Bewegungen, ich sehe, wie sie ihre Schultasche nimmt, ich sehe das viel zu große Hemd, das sie trägt, und sage zu ihr, wie ich es jeden Morgen tue, Nogi, zieh etwas anderes an, so kannst du nicht gehen, das sieht albern aus, und sie widersetzt sich, doch, natürlich kann ich das, und dann erklärt sie Sohara, ich ziehe nur T-Shirts von meinem Vater an, er mag es, wenn ich das tue. Diese unsinnige Erklärung überrascht mich, unmutig betrachte ich ihre Erscheinung, das riesige T-Shirt, unter dem weiße Beine in Turnschuhen herausschauen, und darüber der Kopf mit den blonden Locken, kein Wunder, daß sie keine Freundinnen hat und daß sich alle von ihr fernhalten, und wieder fühle ich die bekannte Angst an meiner Wirbelsäule hochkriechen,

Weitere Kostenlose Bücher