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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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lächelt, als ich Sie heute morgen gesehen habe, habe ich gleich gedacht, daß Sie keine Ahnung haben, wie schön Sie sind, jetzt verstehe ich, warum es so ist, Ihnen fehlt einfach ein Spiegel, und ich muß kichern, genau das gleiche hat damals der Maler gesagt, vor Jahren, alle zehn Jahre taucht ein Mann in meinem Leben auf, sagt, wie schön ich bin, und verschwindet wieder. Wie leicht einem das Atmen fällt, wenn man ein Kompliment bekommen hat, es scheint, als hätte ich mich in einer Sekunde verändert, sogar mein Kummer sieht plötzlich schön aus, ich dehne mich auf dem Stuhl, schließlich gibt es keinen großartigeren Anblick als eine schöne und traurige Frau, höchstens vielleicht ein schöner und trauriger Mann wie der, der mir gegenübersitzt, und eigentlich müßte ich böse auf ihn sein, schließlich stehe ich auf ihrer Seite, aber ich möchte ihn, das ist mir klar und das ist auch ihm klar, und es ist sinnlos, es zu verbergen.
    Als der Kaffee kommt, wenden wir uns vom Tisch und den schönen Zimmern ab, in denen wir nie leben werden, und er sagt, bitte, sprechen Sie, er steckt sich eine Zigarette an und betrachtet mich mit zornigen Augen, eigentlich sind sie dunkel, fast schwarz, aber im Hintergrund strahlt ein dumpfer Glanz, als brenne eine Kerze in seinem Schädel und beleuchte sie von innen, sogar aus seinem offenen Mund dringt ihr beruhigendes Licht, er deutet auf seine Ohren, ich höre, ich kann sogar gut zuhören, und mir fällt auf, wie erstaunlich klein seine Ohren sind, wie zwei erschrockene kleine Schnecken schmiegen sie sich an seinen Kopf, endlich habe ich einen Fehler an ihm gefunden. Nervös nehme ich eine Zigarette aus der halbvollen Schachtel, die er mir hinhält, was geschieht mit mir, ich schaffe es nicht, etwas zu sagen, und er lächelt, was ist mit Ihnen, Na’ama, Chawa wäre das nie im Leben passiert, ich bin sicher, daß Chawa immer weiß, was sie zu sagen hat, und ich lache verwirrt, da ist sie wieder, unsere einzige gemeinsame Bekannte, aber eigentlich haben wir noch eine, die nämlich, in deren Namen ich hier bin, und von ihr muß ich jetzt sprechen. Ich kämpfe innerlich mit mir, was soll ich ihm sagen, daß er seine Frau verlassen soll, so wie mich mein Mann verlassen hat, daß er seine Kinder verletzen soll, wie Udi Noga verletzt hat? Er seufzt, lassen Sie mich Ihnen helfen, Na’ama, im allgemeinen bin ich nicht so, aber Sie wecken meine Hilfsbereitschaft, ich werde an Ihrer Stelle über die Situation sprechen, Sie müssen mir sagen, daß ich mich wie ein Schwein verhalte, daß ich Ja’el in diesem Zustand nicht allein lassen darf, daß ich die Verantwortung für das trage, was ich getan habe, daß ich zu ihr stehen und mit ihr dieses Kind, das ich nicht gewollt habe, aufziehen soll, und ich antworte Ihnen dann, daß Sie recht haben, aber daß ich es trotzdem nicht tun kann.
    Was heißt das, Sie können es nicht, sage ich plötzlich hart, ihr Männer seid ja so verwöhnt, wer fragt euch denn, was ihr könnt, es gibt Dinge, die man einfach tun muß, die keine Frage des Könnens sind, und er senkt den Kopf, ich war sicher, er würde sich energisch verteidigen, wie Udi es immer tut, aber sein Temperament ist anders, ich fühle mich so schuldig, daß ich ihr nicht in die Augen sehen kann, sagt er ruhig, so ein schönes, süßes Mädchen, ich habe ihr Leben zerstört. Ich betrachte ihn und stelle mir Udi und Noga am Schultor vor, hinter meinem Rücken, vor lauter Schuld hat er sich von ihr entfernt, und ich, statt ihn zu besänftigen, habe seine Schuldgefühle noch weiter angeheizt, und seltsam neugierig frage ich, aber wie wollen Sie vor dieser Sache fliehen, sie wird Sie verfolgen, auch wenn Sie Ja’el nicht mehr sehen, und er sagt, Sie werden sich wundern, man kann sich distanzieren. Warum schaffe ich es dann nie, mich zu distanzieren, frage ich kindlich erstaunt, doch sofort schweige ich, decke den Vorwurf mit einer weiteren Frage zu, einer ernsteren, warum haben Sie und Ja’el diese Sache nicht auf die übliche Art geregelt, frage ich, warum haben Sie sie nicht zu einem Arzt gebracht, damit sie abtreibt, und er seufzt, Sie haben ja keine Ahnung, wie ich sie angefleht habe, wie ich ihr gedroht habe, aber nichts hat geholfen, wir haben immer wieder einen Termin ausgemacht, und sie ist nicht gekommen, sie hat geglaubt, sie würde mich auf diese Weise dazu bringen, meine Frau zu verlassen.
    Was soll das heißen, ist sie etwa absichtlich schwanger geworden, frage ich

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