Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
düsteren Tisch, und ich kann mich nicht beherrschen, ich wähle die Nummer, schnell, bevor es mir leid tun könnte, und zu meiner Überraschung ist er selbst am Telefon, Micha Bergmann, frage ich, und er verkündet fast stolz, ja, das bin ich, seine Stimme ist sachlich und energisch. Hier spricht Na’ama, sage ich, wir haben uns heute morgen im Heim kennengelernt, und erleichtert höre ich, wie seine Stimme sich mir öffnet, ach, er lacht, Sie sind nicht Chawa, und ich stimme lächelnd zu, genau, ich bin nicht Chawa, und er sagt, was kann ich für Sie tun?
Ich schnaufe unbehaglich in den Hörer, ich bin also so durchsichtig für ihn, denn eigentlich wird ja von mir erwartet, daß ich etwas für ihn tue, ich beeile mich, einen offiziellen Ton anzuschlagen, ich möchte mich gerne mit Ihnen über die Situation unterhalten, ich kümmere mich um Ja’el, und er seufzt leise. Was soll ich tun, wenn er nein sagt, doch er sagt, okay, Nicht-Chawa, ich werde mich freuen, mich mit Ihnen über die Situation zu unterhalten. Wann, frage ich sehnsüchtig, und er fragt, haben Sie heute nachmittag Zeit? Ja, antworte ich sofort, denn das ist es, was ich gewollt habe, eine Beschäftigung für heute nachmittag, und er sagt, ich würde lieber nicht noch einmal ins Heim kommen, treffen wir uns doch in einem Café, es gibt ein ganz nettes gleich in Ihrer Nähe.
Wir werden so tun, als würde ich ein Haus für Sie bauen, sagt er, als er hereinkommt, noch bevor er sich hingesetzt hat, sein Lächeln ist warm und verschmitzt, als würden wir uns einfach amüsieren, als würden nicht offene Schicksale auf dem Tisch zwischen uns liegen, er zieht ein großes Stück Papier heraus, auf dem mit geraden Linien Rechtecke und Quadrate gezogen sind, und ich betrachte sie neugierig, Wohnzimmer, steht da, Gästetoilette, Arbeitszimmer, Kinderzimmer, Schlafzimmer, alles ganz klar, geordnet, beruhigend, was für ein hübsches Haus Sie mir bauen, sage ich seufzend, ich wünschte, ich wäre tatsächlich eine Dame in geordneten Verhältnissen, die nichts anderes zu tun hat, als sich mit ihrem wunderbaren Architekten über die Größe der Gästetoilette zu beraten, und er fragt erfreut, es gefällt Ihnen, und ich sage, sehr sogar, mein Blick wandert zum Schlafzimmer, er folgt mir, zieht einen Bleistift aus der Tasche und malt in die Ecke des Zimmers ein großes Bett und gegenüber einen Schrank, präzise und sicher, als benutze er ein Lineal, und neben das Bett stellt er einen kleinen Toilettentisch, noch nie habe ich einen Toilettentisch besessen, meine wenigen Schminkutensilien liegen verstreut auf der Waschmaschine herum und hüpfen beim Schleudergang wild durcheinander. Über den Toilettentisch malt er einen ovalen Spiegel, ist der groß genug für Sie, fragt er, und ich sage, ja, und er fragt, was ist mit dem Fenster, bestimmt mögen Sie große Fenster, und ich nicke, er reißt ein großes Fenster in die Wand, es reicht fast bis zum Bett, und dann mustert er das Zimmer zufrieden, fehlt Ihnen noch etwas, fragt er, und ich sage, nein, nichts, und dann sage ich, alles, denn mir fällt ein, daß es ja nicht wirklich ist.
Wie sieht Ihr Schlafzimmer aus, fragt er interessiert, und ich denke an unser schäbiges Schlafzimmer, an den Kleiderschrank an der Wand und an den roten Teppich, der noch aus meiner Kinderzeit stammt, mit den verblichenen Herzen, und an das Bild unseres früheren Hauses mit dem roten Ziegeldach und den Wolken darüber, unter dem Bild das Bett, das wir vor Jahren einem Paar abgekauft haben, das sich scheiden ließ, und auf dem Bett liegt Udi, das Gesicht verzerrt von einem schamerfüllten Seufzer, die langen Beine still, wie an jenem Morgen, als er sich nicht mehr bewegen konnte, und als ich an jenen Morgen denke, habe ich das Gefühl, als sei ich es, die an einer unheilbaren Krankheit leidet, und alle wissen, daß es unmöglich ist, zu genesen, und auch ich weiß, daß es sich nur um eine Atempause handelt, um eine beschränkte Zahl von Tagen, und trotzdem tun wir alle so, als würde ich genesen, bis schon nicht mehr deutlich ist, wer wen betrügt, und ich habe Angst, daß er fragen könnte, wer mit mir das Schlafzimmer teilt, aber er schweigt, er betrachtet meine Hände, ich trage noch immer den Ehering, er ist schmal und ohne Glanz, und dann fragt er, haben Sie einen großen Spiegel in Ihrem Schlafzimmer, und ich sage, nein, auch keinen kleinen, und er nickt nachdenklich, jetzt verstehe ich alles. Was verstehen Sie, frage ich, und er
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