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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Leben lang darauf gewartet haben und insgeheim schon nicht mehr glaubten, daß es passieren würde, und hofften, es durch tausend kleine Anstrengungen herbeizwingen zu können, und diese Überraschung verband uns so stark, daß ich jetzt noch seinen Atem im Zimmer spüre, und wieder gehe ich zum Fenster, stelle mir seinen Blick vor, sehe sein silbriges Auto, nur weg von hier, und der Schmerz, etwas versäumt zu haben, brennt mir in der Kehle, und als ich mich wieder zum Zimmer umdrehe, steht sie da, ihr Bauch verdeckt fast das Gesicht, und sie flüstert, er war hier, nicht wahr?
    Ja, sage ich, er war bei Chawa, du weißt doch, daß seine Zustimmung zur Adoption nötig ist, und sie setzt sich seufzend auf den Stuhl mir gegenüber, mit vor Kränkung rotem Gesicht, und sagt, warum ist er dann nicht auch zu mir gekommen? Er weiß doch, daß ich hier bin, und ich sage, das ist wirklich beleidigend, aber vermutlich fällt es ihm schwer, und sie platzt heraus, es fällt ihm schwer? Was soll ich da sagen? Ich habe alles verlassen müssen, um hierherzukommen, ich muß mich verstecken wie eine Aussätzige, ich muß mich monatelang mit dieser Schwangerschaft plagen, er hat einen Fehler gemacht, und ich bezahle den Preis, das ist nicht gerecht. Was für einen Fehler, sage ich mit weicher Stimme und versuche, mein heftiges Interesse an jedem Detail zu verschleiern, und sie kocht vor Zorn, du weißt doch, was für einen Fehler, er hat versprochen aufzupassen, er hat gesagt, ich soll mich auf ihn verlassen, und jetzt benimmt er sich, als hätte ich ihm das mit Absicht angetan, und ich stelle mir diesen dunklen Mann mit den strahlenden Augen vor, stelle mir vor, wie sich seine Brauen im Zorn zusammenziehen, sein Gesicht, das zwischen Wärme und Ernst schwankt, und eine seltsame Sehnsucht packt mich, als ich denke, sie hat mit ihm geschlafen, sie hat ihn ohne das weiße Hemd und die gebügelten Hosen gesehen, er hat sie geküßt und gestreichelt, hat es mit ihr gemacht, und schon bin ich bereit, sie zu beneiden, obwohl sie mit ihrem Bauch das Zimmer ausfüllt.
    Ich verstehe ihn nicht, schluchzt sie, er hat mich geliebt, ich weiß, daß er mich geliebt hat, diese Schwangerschaft hat alles kaputtgemacht, ich verstehe nicht, warum er seine Frau nicht verlassen hat, um mit mir zu leben, warum kann er dieses Baby nicht lieben, wie er seine anderen Kinder liebt, um die kümmert er sich, warum kann er die Frau nicht verlassen, die ihm nur auf die Nerven geht, und ich fühle, wie jedes ihrer Worte mich trifft, jedes Wort beweist mir, wie hoch dieser Mann über meinem Udi steht, wie glücklich seine Nervensäge von Frau sein kann, daß er nicht bereit ist, sie zu verlassen, ich stehe jetzt auf ihrer Seite, auf der Seite des Weibes der Jugendzeit, nicht auf der Seite der jungen Geliebten, und ich sage leise zu ihr, ich darf das nicht zu dir sagen, und wenn Chawa es erfährt, werde ich sofort rausgeworfen, aber es ist gerade eine Woche her, da hat mich mein Mann verlassen.
    Sie schaut mich erstaunt an und legt sich die Hand auf den Mund, als müsse sie ihr Erstaunen zurückhalten wie einen stechenden, surrenden Mückenschwarm, die andere Hand legt sie auf ihren Bauch, konzentriert sich mit stiller Enttäuschung auf das Ungeborene, als sei es das einzige, was ihr geblieben ist, ich gehe zu ihr, lege meine Hand neben ihre, es tut mir leid, flüstere ich, meine Geschichte spielt wirklich keine Rolle, du sollst nur verstehen, daß in dieser Phase des Lebens jeder Schritt, den man macht, zugleich auch etwas zerstört. Ich will nicht die ganze Zeit Rücksicht auf ihn nehmen, faucht sie, ich will nur an mich denken, das darf ich doch, auch mein Leben wird nie mehr so sein, wie es einmal war, und ich sage, ja, das ist richtig, aber du mußt realistisch sein, er wird seine Frau vermutlich nicht verlassen, die Frage ist, was kannst du trotzdem von ihm erwarten? Ihr Blick ist naiv, vermutlich hat sie nie an so etwas gedacht, ihr Kopf bewegt sich wie beim Gebet, ich möchte, daß er das mit mir durchsteht, murmelt sie, daß wir gemeinsam beschließen, was mit dem Kind sein soll, statt dessen ignoriert er mich, er beantwortet meine Anrufe nicht, stell dir vor, er war hier und ist noch nicht mal zu mir gekommen, und ich erinnere mich an seine überstürzte Flucht, als er das Weinen hörte, und schäme mich für ihn. Ich senke den Kopf und schließe die Augen, die Nähe ihres Bauchs, der Leben trägt, weckt Sehnsucht und Wehmut in mir, und ich höre ihre

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