Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
gepflückt, die im Mund schmelzen wie Bonbons. Mit süßem Erbarmen schält er mir die Kleider vom Körper, du bist so weiß, sagt er, deine Haut ist so weich. Ohne Hemd sieht er ganz anders aus, meine Hände, gewöhnt an Udis knabenhaften Körper, messen erstaunt die Breite seines Rückens, aber seine Berührung ist angenehm, keine Distanz vergiftet mich. Ich wundere mich, wie einfach das ist, mit einem völlig Fremden Liebe zu machen, ohne die ganze Last und den Groll des gemeinsamen Lebens, warum bin ich nie darauf gekommen, daß nur ein Fremder wirklich lieben kann?
Sein herausfordernder Finger wandert über meinen Körper, ich habe das Gefühl, daß meine Haarwurzeln vor Lust erschauern, sie spalten mit ihrer Bewegung die trockene Erde des Schädels, du brauchst dich nicht zu schämen, flüstert er, zeig mir, wie du wirklich bist, und ich werde leichter und leichter, als hätte ich gerade eine große Last abgeworfen, Säcke voller Proviant, einen Moment bevor das Schiff untergeht, werfe ich alles von mir, was ich habe, und jetzt bin ich allein auf dem Schiff, in der Sicherheit, daß mir alles fehlt, folge ich der Fahrt seines Fingers, einen Moment lang hält er in meinem Mund, und ich lecke ihn wie eine Katze, die einen saftigen Knochen erwischt hat, und nun versteckt er sich vor mir in den Tiefen meines Körpers, und seine rauhe Zunge gleitet an meinem Hals hinunter, und schon ist er ganz nackt, kniet über mir, kurzbeinig wie ein Zwerg, und zieht mich zu sich, und ich flattere um sein warmes Glied, gleich wird es zerbrechen, es wird in Stücke springen wie das riesige Barometer meines Vaters, ich höre, wie er schreit, wie er atmet, lauf nicht weg, Na’ama, ich fühle, daß du wegläufst, und ich sage, ich bin hier, bei dir, und er schüttelt mich enttäuscht, nein, du bist nicht hier, und sofort beeile ich mich, ihn zu befriedigen, zu beweisen, daß ich hier bin, mein Körper krümmt sich, um ihn zu beschwichtigen, ein Kreis in einem Kreis, wie bei einer Schießscheibe, und in der Mitte steckt sein hypnotisiertes Glied und nichts wird etwas daran ändern, weder die Trauer meines Vaters noch Udis Verrat, auch nicht Nogas Kränkung, das ist die einzige Tatsache, eine andere gibt es nicht, und befreit werfe ich meinen Kopf zurück, öffne die Schranken für die verzuckerten Waggons der Lust, und da kommen sie, einer nach dem anderen, wie der Kuchenzug, den ich Noga zum zweiten Geburtstag gebacken hatte, drei Waggons, überzogen mit Schokolade, von denen sie noch nicht einmal ein Stück versuchen konnte, bevor sie hinunterstürzte.
Das ist es, was ich dir zur Situation zu sagen hatte, verkündet er plötzlich mit einer so lauten Stimme, daß ich erschrecke, das weiße Hemd hat schon den Weg zurück zu seinen Schultern gefunden, sein Gesicht zeigt den Ausdruck eines Jungen, der ein Geschenk bekommen hat, um ihn über ein Unglück hinwegzutrösten, und nun nicht weiß, ob er sich wegen des Geschenks freuen oder wegen des Unglücks traurig sein soll. Du verstehst mich, nicht wahr, fragt er und zuckt mit den Schultern, ich habe dreimal mit ihr auf diesem Teppich geschlafen, viermal auf diesem Stuhl, zwei-, dreimal auf dem Tisch, ich würde mich freuen, dir bei Gelegenheit alles zu demonstrieren, das eine oder andere Mal habe ich vielleicht vergessen, aber bedeutet das schon, daß wir, ich und sie, Mann und Frau sein können, daß ich meine Kinder verlassen und meine Familie, die ich liebe, zerstören muß, nun, was meinst du, sag schon, was für einen Preis muß ich für dieses Vergnügen bezahlen, ich habe sie nicht vergewaltigt, ich habe sie noch nicht einmal verführt, und als es passiert ist, habe ich alles getan, um es ungeschehen zu machen, sie ist es, die sich geweigert hat, ich habe ihr gesagt, daß ich bereit bin, die Vaterschaft anzuerkennen oder meine Unterschrift für eine Adoption zu geben, was wollt ihr noch, daß ich sie liebe? Es tut mir leid, dazu könnt ihr mich nicht zwingen, über meine Gefühle habt ihr keine Gewalt, und ich bin überrascht von dem scharfen Übergang, aber nicht erschrocken, es ist etwas Weiches an ihm, das meine Existenz nicht bedroht, und ich betrachte sein Hemd, das er mit seinen breiten Händen zuknöpft, wie ist es den ganzen Tag über so weiß geblieben, er hält mir die Hand hin, ich küsse seine Fingernägel, mir scheint, als habe jeder Nagel sein eigenes Gesicht, und jeder lächelt mich beschämt an, genau wie sein Gesicht, das sich meinem nähert, und ich lege seinen
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