Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Brüste in dem verschwitzten Büstenhalter, meine zitternden Knie, nach unten, nach unten, denn er verläßt mich wieder, nun, da ich schon geglaubt habe, er käme zurück, diese dumme Chawa, wie konnte sie mir sagen, es wäre zu meinem Besten, wieder folge ich ihm von Zimmer zu Zimmer, die Zähne zusammengepreßt vor Kränkung, weinet nicht über den Toten und grämt euch nicht um ihn; weint aber über den, der fortgezogen ist; denn er wird nicht mehr wiederkommen und sein Vaterland nicht wiedersehen.
Tastend versuche ich mein Glück, wohin fährst du, auf eine Tour, und er zischt, etwas Ähnliches, und ich bin erstaunt, so plötzlich, gestern hast du nichts davon gesagt. Er unterbricht mich, ich habe mich heute nacht erst entschlossen zu fahren, ich kann nicht länger hierbleiben, und ich versuche zu spotten, ist das auch eine Prophezeiung? So etwas Ähnliches, sagt er, aber ich weiß, daß es eher eine Strafe ist, er hat gefühlt, daß ich mit einem anderen Mann zusammen war, und will mich bestrafen, was für eine Frechheit von ihm, mit was für einem Recht tut er das, und ich verkünde seinem Rücken, ich weiß, daß du nicht allein fährst, aber er antwortet nicht, er holt die Leiter vom Balkon und klettert hinauf zum oberen Schrankfach mit den Wintersachen. Feindselig betrachte ich seine kräftigen Füße, ein Zeh neben dem anderen schauen sie unter dem braunen Lederstreifen heraus, direkt vor meiner Nase, für einen Moment kommt es mir vor, als würde er nicht wirklich weggehen, er hilft mir doch nur, die Winterkleidung herunterzuholen, dieser Sommer wird bald vorbei sein, endlich, heute nacht habe ich es zum ersten Mal gespürt, wir bereiten uns nur ein bißchen früher auf den Winter vor als gewöhnlich, aber er nimmt mir gleich wieder die Illusion, wo hast du meine blaue Windjacke hingetan, murrt er, als wäre es noch immer meine Aufgabe, ihm zu helfen, und seine Aufgabe wäre es, zu verschwinden, ohne zu sagen, wohin und mit wem. Ich flüstere zu seinen Füßen, die auf der letzten Sprosse der Leiter stehen, du fährst mit Sohara, stimmt’s? Seine Zehen krümmen sich plötzlich, verstecken sich unter dem Lederstreifen, bekennen sich schuldig.
Ich fahre mit ihr, aber es ist nicht so, wie du denkst, sagt er schnell in den Schrank hinein, und ich lege meine Hand auf die Leiter, gleich werde ich sie schütteln, wie man einen Ast schüttelt, damit die Frucht herunterfällt, er wird verletzt zu Boden stürzen und mit niemandem wegfahren, nirgendwohin, aber das ist ja alles schon passiert, er hat hier schon verletzt gelegen, alle haben wir darunter gelitten, ich muß ihn seiner Wege gehen lassen, wie gering ist meine Macht über ihn und wie leicht wendet er sich gegen mich, je schneller ich aus dem Bild seines Lebens verschwinde, um so eher kann er es so sehen, wie es wirklich ist. So viele Jahre lang habe ich zugelassen, daß er mich benutzte, um sich vor sich selbst zu verstecken, um aus allem einen persönlichen Kampf zwischen uns beiden zu machen, damit er seine Wut gegen mich wenden konnte, Hauptsache, er mußte sich nicht selbst anschauen, aber das ist vorbei, das schwöre ich, und um aus dem Bild zu verschwinden, verschwinde ich sofort aus dem Zimmer. Ein paar Minuten später taucht er auf, er hat die Windjacke in den Händen, dazu eine Wollmütze und ein Paar dicke Strümpfe, und ich sage kein Wort, denn plötzlich ist mir klargeworden, daß man um so mehr sagt, je weniger man tatsächlich zu sagen hat, ich schaue zu, wie er eine Plastiktüte hinter dem Kühlschrank hervorholt und seine Sachen einpackt, seltsam, daß er weiß, wo die Tüten sind, und auch den Hahn findet er problemlos, gießt sich ein Glas Wasser ein und setzt sich zu mir. Es ist nicht so, wie du denkst, sagt er, ich liebe sie nicht so, wie ich dich geliebt habe, es ist etwas ganz anderes, sie läßt mich einfach leben, sie akzeptiert mich so, wie ich bin, sie erwartet von mir nichts, sie versucht nicht, mich zu erziehen.
Es fällt mir schwer, mich mit diesen Feinheiten zu trösten, vor allem da die Vergangenheitsform in meinen Ohren dröhnt, ich habe dich geliebt, ich habe dich geliebt, und je mehr er es zu erklären versucht, um so mehr distanziere ich mich, ich sitze schon nicht mehr neben ihm auf dem Sofa, sondern betrachte ihn aus riesigen Entfernungen, Entfernungen, die ich in den letzten Monaten zurückgelegt habe, ohne es zu merken, ich sehe, wie er wieder einen Fehler begeht, wie er vor allen Auseinandersetzungen flieht, die
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