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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Familie, die mich so enttäuscht hat.
    Sie streckt sich auf dem Rücksitz aus, genau wie Noga vor einer Woche, als sie krank wurde, und mein kleines Auto wird zu einer Behelfsambulanz, voller Schmerzen und Seufzer, immer stöhnt da hinten eine andere, ich komme vorwärts, obwohl ich langsam fahre, fast im Schrittempo, und ich sage zu ihr, wir kommen gleich an, Ja’eli, alles wird gut sein, ich helfe dir, und sie jammert, mir ist kalt, ich bin ganz naß. Trotz der strahlenden Sonne mache ich die Heizung an, das Auto scheint zu brennen, aber sie zittert noch immer, ihre Zähne klappern aufeinander, ich kriege kaum Luft, Schweiß strömt mir über die Stirn in den trockenen Mund, ich schlucke ihn verzweifelt, Durst packt mich, wird immer größer, und ich reiße den Mund auf und habe das Gefühl, als würde mir eimerweise Wasser vom Himmel hineingegossen, lauwarmes, trübes Fruchtwasser, ich trinke es dankbar, meine Augen zerfließen vor Hitze, es ist, als würde sich die Stadt immer weiter von uns entfernen, ich fahre mitten durch die Wüste, ich suche Udi, ich weiß, daß er sich dort versteckt, ich muß es ihm sagen, bevor es zu spät ist, ein neues Baby klopft an die knarrenden Türen unserer Herzen, was werden wir ihm sagen und wie werden wir es empfangen, aber um uns herum gibt es keine Menschenseele, nur brennende Feuer zu beiden Seiten der Straße, gelbliche Feuerblumen in der Wüste, die nach verbranntem Fleisch riechen, ein Geruch nach Menschenopfer.
    Als wir fast ohnmächtig die Entbindungsstation betreten, fällt mir ein, wie die Schwester damals fragte, können wir Ihnen helfen, und Udi antwortete, holen Sie nur das Baby heraus, dann werden wir Sie nicht länger stören, diesmal sind Fragen unnötig, alles scheint so klar, der gesenkte Bauch und die nasse Kleidung, sie übernehmen sie sofort und bitten mich, draußen zu warten, ich gehe im Korridor auf und ab, Glocken eines unerwarteten Glücks läuten in mir, die ganze Welt scheint mit angehaltenem Atem auf die Geburt des kleinen Geschöpfs zu warten, sie breitet ihre riesigen Arme aus, um ausgerechnet dieses Kind zu empfangen, das keiner gewollt hat. Mit geschlossenen Augen stehe ich am Fenster, hinter dem Anblick der Stadt, der mir bis zum Überdruß bekannt ist, spüre ich wieder die einsame Landschaft um mich herum, kahle Bergspitzen schießen wie seltsame Gewächse aus der Erde, ihre Nasen sind lang und adlerförmig und voller Staub, und die Oasen zu ihren Füßen betonen nur noch die endlose Verlassenheit. Eine himmlische Hand spannt die Berge mit starkem Arm, Salzberge glitzern wie Eis, Udi, wo sind wir, wohin fahren wir, aber der Fahrersitz ist leer, das Lenkrad steuert sich selbst zwischen den Bergketten hindurch, die sich nebeneinander erheben und die Wüste abschließen, und aus den blassen Staubpflanzen steigt seine Gestalt auf, was für eine Einsamkeit, flüstert er, du hast keine Ahnung, wie einsam ich bin, du hast das noch nie erlebt.
    Eine schwere Hand faßt mich an der Schulter, wir haben uns erst gestern kennengelernt, und schon warten wir auf ein Baby, flüstert er mir ins Ohr, sein Lachen kitzelt meine Wange, Micha, sage ich erstaunt, du bist aber schnell gekommen, und er nickt, ich habe beschlossen, alles zu tun, was du sagst, und ich lache, wirklich, warum? Einfach so, sagt er, weil es mir angenehm ist, dir eine Freude zu machen. Aber Micha, schimpfe ich, du bist doch nicht zu mir gekommen, sondern zu Ja’el, und er murrt, sei doch nicht so ernst, das ist doch kein Widerspruch, kann man nicht zwei Frauen gleichzeitig eine Freude machen? Wieder muß ich kichern, wir sind so verschieden, daß es fast lächerlich ist, er würde nie zulassen, daß man ihm das Leben zerstört, während ich opferbereit darauf warte, ein Leben mit ihm ist sicher sehr angenehm, und dann fällt mir auf, daß er sich noch nicht einmal nach ihr erkundigt hat, es macht ihm nicht wirklich etwas aus, daß sie hinter der Wand Wehen aushalten muß, seine Liebe ist charmant und ohne Gewicht, sie geht vorbei, und ich stelle mir den angespannten, ernsthaften Udi neben ihm vor, aber auch seine Liebe geht vorbei, was spielt es schon für eine Rolle, ob sie nach zweieinhalb Tagen vorbeigeht oder nach zweieinhalb Jahrzehnten?
    Die Schwester, die aus dem Saal kommt, wirft einen neugierigen Blick auf uns, die wir Arm in Arm am Fenster stehen, Sie können jetzt zu ihr gehen, sagt sie zu mir, aber ich ziehe es vor, ihn zu schicken, geh du zuerst, das wird ihr mehr helfen, und

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