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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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kommt, wie getrieben, zurück, stößt mir wieder die Hand zwischen die Beine, als wollte er sein Territorium kennzeichnen, und flüstert mit trockenem Mund, ich komme wieder, Ella, aber das wird zu einem Zeitpunkt sein, den ich wähle, nicht du, wenn niemand unten auf mich wartet. Sein Gesicht verzieht sich drohend, als er rückwärts zur Tür hinausgeht, und ich mache mir noch nicht einmal die Mühe, ihm zu antworten, ich wende den Blick von ihm und schaue hinunter zum Auto, sehe, wie er schnell darin verschwindet, und zu meinem Erstaunen fahren sie nicht los, es scheint, als würde zwischen ihnen ein Streit entstehen, begleitet von scharfen Handbewegungen, und ich verfolge gespannt das Schauspiel, warte darauf, dass Amnons langer Körper auftaucht, aber zu meiner Enttäuschung sehe ich nur Gabis Hand, die ermunternd auf die Schulter seines Nebenmannes klopft, lachen sie etwa, als das Auto langsam anfährt und in der Ferne verschwindet und mich allein und schweigend zurücklässt, in den brennenden Sonnenstrahlen hier oben auf dem Fensterbrett.
    Wir waren ein seltsames, eigentlich komisches Paar, er groß und gebeugt, fast ein wenig schwerfällig, sein vierschrötiger Körper stürmisch und wild wie der Körper eines Heranwachsenden, der einfach immer weiter gewachsen ist, und ich, die ich zu früh aufgehört habe zu wachsen, als habe etwas den Mechanismus gestört, jedenfalls blieb ich kleiner als meine Mutter, schmalhüftig und flachbrüstig, nur eine halbe Frau, angespannt wie eine Simulantin, die Angst hat, ertappt zu werden, und oft konnte man glauben, dass jeder von uns dazu bestimmt war, die Mängel seines Partners zu betonen, sie ins Lächerliche zu ziehen, denn wenn wir nebeneinander standen, wirkte ich noch kleiner und er noch größer, wir haben uns gegenseitig hässlicher gemacht, wir waren zu Anstrengungen gezwungen, ich musste den Hals zu ihm hinaufrecken, er musste sich zu mir hinunterbücken. Anfangs fanden wir diese Unterschiedlichkeit aufregend, es war, als würden wir zwei völlig verschiedenen Rassen angehören, Vertreter fremder Stämme, die sich vereinigten, aber im Lauf der Jahre wurde es lästig. Er liebte es, mich mit Geschichten von seiner früheren Freundin zu provozieren, die fast so groß war wie er, ich habe sie nur einmal gesehen, als wir zu ihrer Hochzeit eingeladen waren, und wenn ich jetzt versuche, mir ihr Aussehen in Erinnerung zu rufen, sehe ich nur eine lange verschwommene Silhouette und den verwunderten Blick der herausgeputzten Braut vor mir, als wir nach der Zeremonie zu ihr gingen, als könne sie es nicht glauben, dass er bei ihrer Hochzeit als Gast auftrat und nicht als Bräutigam. Sie war eine ernsthafte Frau, betonte Gabi von Zeit zu Zeit mir gegenüber, ehrlich, ich verstehe nicht, warum er sie verlassen hat, und noch dazu deinetwegen, sie war wie für ihn gemacht.
    Es ist noch nicht lange her, da hat Amnon erzählt, dass er sie zufällig auf der Straße getroffen hat, die arme Ofra, so nennt er sie immer, ihr Mann hat sie mit zwei Kindern sitzen lassen, und jetzt, da ich kraftlos am Fensterstock lehne, verstehe ich, dass dies die Lösung ist, die einzige Antwort auf die Frage, die heute Morgen aufgeflammt ist, wie hat er sich in nur einer Woche mit der Trennung abfinden können, wie kommt es, dass er auf einmal auf mich verzichten kann, denn es ist klar, dass er eben das tut, Gabi hätte nicht gewagt, mich auch nur mit der Fingerspitze zu berühren, wenn er nicht gewusst hätte, dass ich freigegeben bin. Ohne eine andere Frau hätte er nicht so leicht von mir abgelassen, und keine neue Frau könnte nach nur einer Woche die Herrschaft über ihn gewinnen, nur die arme Ofra, die den bedauernswerten Flüchtling Amnon versteht und ihn von heute auf morgen von der Kraft ihrer Liebe, ihrer Treue und ihrer unendlichen Hingabe überzeugt hat.
    Wenn das so ist, ordnet sich seine Welt neu, Amnon mit der armen Ofra, ich mit dem armen Gili, zwei Paare ohne Hoffnung, die sich aus einem Paar ohne Hoffnung gebildet haben, und wer weiß, ob es in meiner Macht läge, die alte Ordnung für meinen Sohn wiederherzustellen, wenn ich es wollte, ich setze meinen nackten Fuß auf das Fensterbrett, an dessen Rand der Blumenkasten hängt, den wir zur Hochzeit bekommen haben, in ihm blüht eine hartnäckige Geranie, und ich schiebe meinen Fuß hinüber und trete die Geranie wieder und wieder, bis sie schwer hinabfällt auf den Gehweg, genau dahin, wo das Auto stand und die zwei in Gelächter

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