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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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nicht.
    Was für eine Wärme erwartest du von ihr, fuhr sie ihn an, was für eine Wärme gibst du denn, wenn du solche Erwartungen hast?
    Und dann ging das Licht im Wohnzimmer an, ohne daß ich eine Tür gehört hatte, und ich sah Joni, der seinen Mantel auszog, unter dem er eine kurze Turnhose trug, und plötzlich zog sich mir das Herz zusammen. Wie jung er aussah, vor allem in weißen Sachen, seinem Tenniszeug, jung und engelhaft und süß, und ich fühlte einen solchen Stolz, während ich ihn aus der Dunkelheit beobachtete, als sei er mein Sohn, und ich staunte darüber, daß er so schön laufen gelernt hatte, daß er seinen Mantel allein ausziehen und Licht anmachen konnte, alles konnte er, mein wohlgeratener Sohn, alles, und dann kam er auf mich zu und stand in der Schlafzimmertür und versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Ich sah ihn ganz genau, und er sah mich nicht, er konnte nicht mal sicher sein, daß ich da war, und er wagte nicht, näher zu kommen, um sich zu vergewissern, ich bemerkte, wie schön die einzelnen Teile seines Gesichts waren, und staunte wie beim ersten Mal, als ich ihn gesehen hatte, wie es möglich war, daß sich solch schöne Einzelheiten nicht automatisch zu einem schönen Ganzen zusammenfügten.
    Wühlmäuschen, flüsterte er, und ich tat, als müsse ich mich dehnen, rieb mir die Augen und sagte schnell, bevor er etwas fragen konnte, ja, ich habe ein bißchen geschlafen, ich hatte vergessen, daß er heute Tennis spielte, und war so glücklich, daß alles gut und seine Stimme weich wie immer war, aber dann sagte er, ich habe dich in der Uni angerufen, sie haben gesagt, du wärst überhaupt nicht dort gewesen, und ich sagte zu mir, Kaltblütigkeit, Kaltblütigkeit, und murmelte, ja, ich habe mich nicht wohl gefühlt, deshalb bin ich zu Hause geblieben, und er sagte mit seiner weichen Stimme, die mir plötzlich grausam und beängstigend vorkam, aber ich bin vorhin hier vorbeigekommen, um mich umzuziehen, und du warst nicht da, und einen Moment lang wollte ich ihm alles erzählen, ich wollte weinen und ihm erzählen, in was für ein Loch ich gefallen war und daß er auf mich aufpassen müsse und mir nicht erlauben dürfe, das Haus zu verlassen, aber dann sagte ich mir, Kaltblütigkeit, beichten kann man immer, versuche einstweilen mit reiner Weste aus der Sache zu kommen, und ich sagte, ich bin mal schnell zur Apotheke gegangen, Aspirin kaufen, schön, sagte er, mir platzt bald der Kopf, ich brauche ein Aspirin, und machte auf einmal das Licht an, und ich schloß die Augen vor dem plötzlichen Licht und murmelte, es ist bestimmt in meiner Tasche, und er brachte mir die Handtasche zum Bett, wie man einen Säugling zum Stillen zu seiner Mutter bringt, ich mag nicht in deiner Tasche rumwühlen, und ich tat, als würde ich suchen, dann sagte ich, es ist nicht da, vielleicht in der Küche, vielleicht habe ich die Tabletten aber vor lauter Kopfschmerzen in der Apotheke vergessen, und ich betete insgeheim, daß er nicht anbieten würde, sie von dort zu holen, und zu meinem Glück fing es in diesem Moment an zu regnen, eine wahre Sintflut, und ich sagte, komm ins Bett, ich vertreibe dir deine Kopfschmerzen.
    Er setzte sich auf den Bettrand, stand aber plötzlich auf, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen, ich muß mich erst waschen, ich stinke vor Schweiß, aber ich roch nichts und wunderte mich ein bißchen, denn im allgemeinen mußte ich ihn ans Duschen erinnern, und mir kam ein Verdacht, vielleicht war er gar nicht beim Tennis, vielleicht roch er nach einer anderen Frau, und sofort dachte ich an Schira und an ihre Stimme, als sie sagte, ich habe Besuch. Wie war das Spiel, fragte ich, und er sagte, wie üblich, und begann sich auszuziehen, und ich fragte, mit wem hast du heute gespielt, und er antwortete, ich habe einen festen Partner, hast du das vergessen? Und ich sagte, hilf mir auf die Sprünge, wer ist es, und er sagte, Arie, und mir kam es vor, als verberge er hinter seinen engelhaften Lippen ein satanisches Lächeln, und ich sagte, Arie, wer ist das? Wie alt ist er? Und er sagte, so alt wie ich, vielleicht ein bißchen älter, erinnerst du dich nicht? Wir haben ihn vor zwei Wochen im Supermarkt getroffen.
    Er drehte mir seinen hellen weichen Rücken zu und ging zum Badezimmer, und ich sagte zu mir, du mußt deine Nerven unter Kontrolle behalten, erschrick nicht bei jeder Kleinigkeit, und ich wußte nicht, welche Vorstellung mich mehr erschreckte, daß er sich duschte, um den

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