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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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in der Stadt waren, wir fuhren durch dieselben Straßen, durch die wir am Morgen gefahren waren, nur in umgekehrter Richtung, ja, sagte ich, hier war ein roter Baum, den ich sehen wollte, und er fragte, warum, und ich sagte, weil es ein Zeichen ist, wenn wir ihn finden, und wenn wir ihn nicht finden, wird es auch ein Zeichen sein, und er sagte, dann ist es eigentlich egal, und er sagte, auch er habe am Morgen etwas Rotes, Leuchtendes gesehen, aber das sei wohl ein Ziegeldach gewesen. Noch einmal senkte ich den Kopf, als wir an Jonis Büro für Computerservice vorbeikamen, hoffte, daß Joni noch dort war und seine gehorsamen Computer dressierte. Am Anfang unserer Straße blieb das Auto stehen, und ich protestierte, es ist noch ein bißchen weiter, und er sagte, ich weiß, aber das ist, was man Sicherheitsabstand nennt, ich will nicht, daß du Probleme bekommst, er tat wichtig, als hätte er mindestens einen Meisterkurs für Spione hinter sich, und ich versuchte in seinen Kopf zu dringen und sagte mir, Kaltblütigkeit demonstrieren, wie eine Berufsmäßige, und schaute ihn genau an, denn ich wußte, daß ich ihn nie mehr sehen würde, ich versuchte, sein Gesicht auswendig zu lernen, um es einmal zu entschlüsseln, so wie man ein Rätsel löst. Er hielt das Lenkrad fest, und ich dachte, wenn er es losläßt und mich berührt, dann ist das ein Zeichen, auch wenn er es nicht tut, ist es ein Zeichen, und er ließ das Lenkrad los, aber nur, um sich an der Nase zu kratzen und sich dann eine Zigarette anzuzünden, und ich hörte auf, ihn anzuschauen, und sagte kaltblütig, tschüs, und stieg aus, und als das Auto sich entfernte, überlegte ich, ob ich nicht danke hätte sagen sollen und daß ich vergessen hatte, mir seine Augenbrauen anzuschauen, ob sie schwarz oder grau waren, wie seine Haare, jetzt würde ich also mein ganzes Leben verbringen müssen, ohne zu wissen, welche Farbe seine Augenbrauen hatten.
    Vor dem Haus bekam ich Herzklopfen vor Angst, aber ich sagte mir, Kaltblütigkeit, Kaltblütigkeit, niemand wird dir so etwas Furchtbares zutrauen, im schlimmsten Fall wird er denken, du hättest dich in der Stadt herumgetrieben und Kleider gekauft, nie im Leben würde er glauben, daß du nach Jaffo gefahren bist, um anderthalb Schwänze reingesteckt zu bekommen, sogar wenn du es ihm erzählst, wird er es nicht glauben, das ist das Gute an der Wahrheit, daß man sie nicht glauben kann. Und an der Tür sagte ich, tu mir einen Gefallen, Joni, sei nicht zu Hause, um deinetwillen sei nicht da, wozu solltest du dasein, und er war wirklich nicht zu Hause.
    Die Wohnung war dunkel und warm, die Heizung hatte wegen des schlechten Wetters vermutlich früh angefangen zu arbeiten, ich streichelte die warmen Heizkörper, als wären sie treue Haustiere, nur die Wärme war eher dagewesen als ich, aber die Heizkörper waren auf meiner Seite und würden nichts sagen. Das Spülbecken war voll, aber auch heute morgen war es voll gewesen, es war nicht zu sehen, ob ein Teller hinzugekommen war oder nicht, und erleichtert zog ich mich aus und stopfte die Sachen in den Schrank, duschte hastig, fuhr mit der Seife über die bestimmten Stellen, zog meinen Pyjama an und stieg ins Bett. Am besten war es, so zu tun, als wäre ich eingeschlafen, so gewann ich Zeit und konnte seine Stimmung auffangen, wenn er kam, ich lag also in dem dunklen Zimmer, genoß anfangs meine Erleichterung, bis sie sich langsam mit Furcht mischte, denn es war schon sechs oder sieben, ohne daß Joni kam oder anrief, niemand rief an, und Angst stieg in mir auf, ich hätte heute etwas Einmaliges verpaßt, einen Zug, der nur einmal im Leben vorbeikam, und alle waren ohne mich eingestiegen.
    Ich stellte mir vor, daß sie, weit weg von mir, etwas feierten, Joni und meine Eltern, der Dekan und alle Studenten, die mich heute gesucht hatten, auch Schira, die Joni auf ihre verschämte und versteckte Art begehrliche Blicke zuwarf, und da beschloß ich, sie anzurufen, sie wußte immer, was passierte, auch wenn nichts passierte, und ich wählte im Dunkeln ihre Nummer, und sie war sogar nett, und ich fragte sie, ob sie etwas von Joni gehört habe, weil ich es nicht geschafft hätte, mit ihm zu sprechen, und sie sagte, 5786543, das war die Nummer seines Büros, und plötzlich war sie nicht mehr so nett, sie sagte, entschuldige, Ja’ara, aber ich habe Besuch, und ich war sicher, daß bei ihr ein Fest stattfand, alle Leute, die zu meinem Leben gehörten, saßen dort bei ihr und planten ihre

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