Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Schlafzimmer, nach Zigaretten stinkend, und begann, über die neue Frau herzuziehen, daß sie sich wie eine Hure kleide, und so höre sie sich auch an, und es sei eine Schande für sie, daß so eine ihre Nachfolgerin geworden war, das würde sie Alex nie verzeihen, und meine Mutter sagte dann immer, aber Tirza, vergiß nicht, daß du die Scheidung wolltest, er hätte dich nie verlassen, obwohl er von deinen Geschichten wußte, und dann begannen sie zu flüstern, und erst gegen Abend wusch Tirza ihr Gesicht, das auch mit fünfzig noch glatt und hübsch war, und ging mit erleichtertem Seufzer weg, wie ein Mensch, der eine Sauna verläßt, nachdem er bis an seine Grenze gelitten hat, aber vom gesundheitlichen Nutzen der Sache überzeugt ist.
Du bist einfach eine Sadistin, sagte mein Vater manchmal abends zu meiner Mutter, im Schlafzimmer, das noch nach Zigaretten roch, warum hältst du sie immer auf dem laufenden, warum lädst du sie ein, sich hier zu kasteien, du bist einfach neidisch, weil sie eine erfolgreiche Rechtsanwältin ist und du nichts aus dir gemacht hast. Mit deiner scheinbaren Loyalität quälst du sie, glaub ja nicht, daß ich das nicht sehe.
Ich habe nichts aus mir gemacht? Meine Mutter kochte, und warum habe ich nichts aus mir gemacht? Weil ich mein Leben lang für dich gesorgt habe.
Ja, du hast für mich gesorgt! Was gab es da schon zu sorgen? Du hast es einfach vorgezogen, dein Leben mit Blödsinn zu vergeuden.
Deine Kinder aufzuziehen ist Blödsinn? Sich um alle zu kümmern ist Blödsinn?
Wer genau sind denn alle? Nur für dich hast du gesorgt, wir haben doch gesehen, was damals passierte, als dir das Kind starb, das dich wirklich gebraucht hat!
Wie kannst du das wagen, schrie sie ihn dann an, man könnte glauben, daß du was aus deinem Leben gemacht hast! Begräbst dich den ganzen Tag im Labor wie eine Wühlmaus! Hättest du dein Studium beendet und es nicht mittendrin abgebrochen, hättest du unser Kind vielleicht retten können und wir wären nicht abhängig gewesen von diesen idiotischen Ärzten dieses idiotischen Krankenhauses! Dann knallte regelmäßig die Tür, und meine Mutter, samt Kissen und Decke, legte sich auf das Sofa im Wohnzimmer und schlief ziemlich bald ein, wie ein Mensch mit einem ruhigen Gewissen, und ich schlich hinüber und betrachtete sie, versuchte in ihrem faltigen Gesicht ein Zeichen der Wahrheit zu finden. Was für einer Wahrheit? Das war nicht die Frage, die Frage war vielmehr, mit wem man Mitleid haben sollte, ich ging von einem Bett zum anderen, betrachtete ihn, betrachtete sie und überlegte, mit wem ich Mitleid haben sollte, ich lief mit meinem Packen Mitleid herum wie mit einer Medizin, die nur für einen Menschen reichte, aber der würde dann auch gerettet, und wußte nicht, wem ich dieses Mitleid geben sollte. Manchmal schlief ich, mitten auf dem Weg von einem Bett zum anderen, auf dem Fußboden ein, und morgens sah ich dann ihre Augen auf mich gerichtet, Augen, in denen ich die Erwartungen aus den ganzen vergangenen Jahren sah, angefangen bei ihren Versuchen, mich auf die Welt zu bringen, bis jetzt, Erwartungen, die ich schließlich enttäuscht hatte, ich hatte die Anstrengungen nicht gerechtfertigt, ich hatte keine Rettung gebracht, außer meinem Mitleid mit den Bedrückten und Beladenen, einem Mitleid, von dem ich nicht wußte, wem ich es schenken sollte, am Schluß gab ich es mir, und sie wußten das im Innern ihres Herzens und behandelten mich, als hätte ich mit an ihnen vergangen, hinter meinem Rücken hielten sie Schnellgerichte über mich ab, sammelten unzählige kleine Beschuldigungen zu einer einzigen großen Schuld, die sich nachts ein Bett suchte, in das sie sich legen konnte.
Manchmal zischte er dann, sie wird wie Tirza werden, ich sehe es ihr jetzt schon an, das war für ihn ein ernster Fluch, obwohl die Atmosphäre zwischen ihm und ihr, wenn sie zusammensaßen, immer angenehm war und sie sich lange unterhielten, man konnte sehen, daß er Tirza nicht als ganze Person haßte, sondern nur einen Teil von ihr, einen Teil, der in seinen Augen so etwas war wie Betrug an der Weiblichkeit, Hochmut, Grausamkeit, eine Essenz aller Frauen wie Tirza, die an der wirklichen, realen Tirza nicht zu bemerken war, die man erst entdeckte, wenn man versuchte, sie ganz genau in den Blick zu bekommen.
Und meine Mutter sagte dann, wieso denn, Ja’ara ist so warm und Tirza so kalt, und mein Vater sagte gekränkt, vielleicht ist sie dir gegenüber warm, zu mir
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